Nun wird, gelobt sei der Herr, niemand gezwungen, irgendwo zu leben, wo er nicht leben möchte, wo er sich nicht wohlfühlt, wo ihm Undankbarkeit entgegenschlägt, wo schon ein freundliches Gesicht ein Vergehen ist, für das man sich entschuldigen muss. Conny Reimann ist nach Texas gezogen, Boris Becker residiert in London, Thomas Gottschalk hat sich ein Häuschen in Malibu gekauft. Millionen von Deutschen leben und arbeiten im Ausland, umgekehrt leben und arbeiten Millionen von Ausländern in Deutschland: Amerikaner wie Gayle Tufts, Israelis wie Daniel Barenboim, Italiener wie Giovanni di Lorenzo, Polen wie Lukas Podolski. Dazu zahllose Russen, Türken, Griechen, Spanier und Österreicher.
„Broder Feb 2012“ von Henryk M. Broder - Henryk M. Broder. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons |
Die lange übliche Unterscheidung zwischen dem „Volk“ und der „Bevölkerung“ ist praktisch aufgehoben. Man muss keinen Schäferhund im Stammbaum oder einen Schrank voller Lodenkleider haben, um als Deutscher zu gelten; um einen Integrationstest zu bestehen, muss man weder den „Erlkönig“ noch das „Lied von der Glocke“ kennen.
Es reicht, dass man ein Bitburger von einem Jever unterscheiden kann. Anders als in den USA, wo in öffentlichen Schulen der Tag mit einer „Pledge of Allegiance“ beginnt, einem Treuegelöbnis zu der amerikanischen Nation, wird in Deutschland kein Bürger angehalten oder genötigt, der Regierung oder dem Staat gegenüber „freundlich“ zu sein. Es gibt kein Gesetz, das „unfreundliches“ Verhalten mit Strafe bedroht.
Diejenigen aber, die Regierungsverantwortung tragen, haben einen Eid abgelegt, dem deutschen Volk zu dienen, seinen Nutzen zu mehren und Schaden von ihm zu wenden. Sie sind zur Loyalität verpflichtet. Angela Merkel ist die Kanzlerin aller Deutschen, auch derjenigen, die sie nicht mögen. Genau genommen ist sie die Kanzlerin aller Menschen, die in Deutschland leben, der Bio-Deutschen, der Beute-Deutschen und aller anderen Mehr-Oder-Weniger-Deutschen. Und wenn der Islam zu Deutschland gehört, dann gehören auch Kanzlerkritiker zu Deutschland. Zu sagen, wenn Ihr mich unfreundlich anmacht, dann ist das nicht mein Land, gehört sich nicht in einem politischen System, in dem die Macht nicht vererbt, sondern nur treuhänderisch verwaltet wird.
Es ist noch nicht lange her, da hat der damalige Bundespräsident Christian Wulff erklärt: „Ich möchte nicht Präsident in einem Land sein, wo man sich von Freunden kein Geld leihen kann.“ Bald darauf musste er von seinem Amt zurücktreten. Nun kann er sich Geld leihen, vom wem er will. Und wie man hört, soll er inzwischen sehr glücklich sein.
Quelle: Henryk M. Broder http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/die_kanzlerin_bewegt_sich1
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