Ich stehe in diesen Tagen auf den Marktplätzen meines Wahlkreises und die Menschen kommen und haben nur ein Thema: Flüchtlinge und Asyl. Das sind keine Krakeeler oder Rassisten, das sind einfache Bürger, von denen manche sogar zu den freiwilligen Helfern gehören, sich aber dennoch Sorgen machen um die Zukunft unsers Landes. Die Angst haben, unserem Rechtssystem nicht mehr zutrauen zu können, für ihre Sicherheit zu sorgen. Sie sagen, sie würden mich als kritischen Zeitgeist einschätzen, Vertrauen hätten und deshalb froh seien, dass sie all das Mal jemanden von der Politik sagen können - und ich höre lange und aufmerksam zu.
Veronika Bellmann ist CDU-Bundestagsabgeordnete. In ihrem Wahlkreis in Sachsen wird sie in diesen Tagen nur auf ein Thema angesprochen: Flüchtlinge und Asyl.(Foto: Screenshot) |
Die Stabilisierung von Nachbarstaaten der Krisenländer ist völlig unzureichend. Der Kampf gegen die Schlepperbanden erreicht nur die „kleinen Fische“ und euphorisierte Grenzöffnungsversprechen, weil jedem das Herz blutet, der völlig erschöpfte Flüchtlingsfamilien sieht. Diese Emotionen sind verständlich, aber ohne ein Konzept dahinter ein ordnungspolitischer Offenbarungseid.
Welche Signale sendet das aus? Nach außen unterschwellig, dass in der EU Regeln und Verträge auch im Asylrecht nicht eingehalten werden müssen - wie bei der Euro-Staatsschulden- und Griechenland-Krise. Weil man die verurteilt, die EU-Außengrenzen sichern und kontrollieren und auf dem Geringsten bestehen, was man sowohl für die Sicherheit des Landes als auch für die der Flüchtlinge verlangen muss, sich registrieren zu lassen, um dann legal Asyl zu beantragen.
Prompt ignorieren Flüchtlinge zu Hunderten sogar die deutschen Grenzkontrollen und kommen illegal über die grüne Grenze, von den gewalttätigen Ausschreitungen in Ungarn ganz zu schweigen. Regeln sind dazu da, dass man sie im wahrsten Sinne des Wortes umgeht und das bleibt weitgehend folgenlos. Das ist das erste, was die Flüchtlinge von Europa lernen: Der persönliche Wille kann an allen im demokratischen Rechtsstaat vom Parlament beschlossenen Gesetzen vorbei durchgesetzt werden.
„Wer Wind sät, wird Sturm ernten“
So sind eben keine geordneten Verfahren möglich, wenn Flüchtlingsströme ein so großes Ausmaß annehmen und trotz Grenzkontrollen eben nicht mehr kontrollierbar sind. Dann werden auch die uneigennützigsten Ehrenamtler, die Mitarbeiter der Ämter und Behörden über kurz oder lang die Segel streichen, Polizei und Kommunen überfordert sein. Die Bundeswehr wird nicht nur punktuell helfen, sondern bald Führungs- und Koordinationsverantwortung in größerem Stile übernehmen müssen. Mit viel Geld und einem freundlichen Gesicht Deutschlands im Ausland ist es eben nicht getan.
Und dann höre ich Sätze, in denen irgendwie eine große Enttäuschung mitschwingt, wie: „Wir waren immer begeistert von unserer Kanzlerin, von ihrer Besonnenheit und ihren genau durchdachten Entscheidungen.“ Eine Frau sagt: „Wer Wind sät, wird Sturm ernten.“
Das alles ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, die Angst davor haben, dass sich die vielen Asylsuchenden eben nicht den Regeln unseres Landes anpassen werden, sondern die Regeln unseres Landes ihnen. Sie vermuten, dass sich unser Land verändert und dass das nichts Gutes für den inneren und sozialen Frieden verheißt. Sie sagen unisono, den wahren Kriegsflüchtlingen, insbesondere den Familien gerne zu helfen. Aber die seien ja nicht in der Mehrzahl.
Sie sehen die vielen Männer, von denen nicht wenige die eigentlich Schutzbedürftigen, die Frauen, Kinder und Alten, in den Krisengebieten einfach zurückgelassen und großer Gefahr schutzlos ausgesetzt haben. Nicht alle von ihnen sind wirklich politisch verfolgt. Es ist ihr gutes Recht, dass sich Menschen auf die Suche nach einem besseren Leben machen. Abertausenden jungen Männern, denen es reicht, männlich und Muslim zu sein, wird vermutlich auch in Deutschland nur eine Sozialhilfekarriere bleiben. Sie werden über kurz oder lang mit ihrem neuen Leben unzufrieden sein und dagegen aufbegehren.
Rechtsystem und Ordnungsmacht sind längst nicht mehr mächtig, sie sind überlastet und viel zu schlecht besetzt. Die Leute befürchten Anarchie. Sie brauchen ein Signal, dass dieser Staat noch wehrhaft ist. Konsequente Abschiebungen wären ein solches Signal oder ein Asylrecht, das kurzen Prozess mit Asylbewerbern erlaubt, die kriminell und straffällig geworden sind, dadurch ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland verwirkt haben.
Viele trauen bestimmten Flüchtlingen einfach nicht zu, sich integrieren oder gar assimilieren zu wollen, und sie glauben auch nicht, dass sie alle hochqualifiziert sind, unseren Fachkräftemangel beseitigen oder alle in lauterer Absicht kommen. Nur einer von 100 Flüchtlingen, der eine dieser Vermutungen erfüllt reicht, um alle anderen rechtschaffenen Flüchtlinge in Misskredit zu bringen, ein Klima der Angst zu erzeugen. Die kriminellen Vorkommnisse der letzten Tage in Freiberg und Berlin geben ihnen Recht.
„AfD-Chefin Petry hat beim Asylthema die Merkel-Methode angewandt“
Parallelgesellschaften und No-Go-Areas wie in manchen westdeutschen Städten wollen die Sachsen nicht. Und das hat nichts damit zu tun, dass wir hier zu DDR-Zeiten keine Ausländer im Lande gehabt hätten. Hier waren russische Soldaten, und in der Industrie arbeiteten Angolaner, Mosambikaner, Kubaner, fleißige Vietnamesen und Algerier (die sich gern Messerstechereien lieferten). An den Universitäten studierten viele andere Nationalitäten aus den „sozialistischen Bruderstaaten“. Allesamt hatten sie in der Mangelwirtschaft des Sozialismus eine Vorrangstellung, was den Ex-DDR-Bürgern als ungerechtfertigte Bevorzugung wohl auch noch ein bisschen im Hinterkopf stecken dürfte.
Was die AfD und Frauke Petry betrifft, so haben sie in vielen Punkten beim Asylthema die Merkel-Methode angewandt und Positionen anderer einfach übernommen. Ihre Aussagen decken sich mit vielem, was die Koalitionsfraktionen oder die Ministerpräsidenten jetzt vereinbart haben. Mit dem Unterschied, dass Bundesregierung und der Bundesrat (außer Bayern) immer erst durch die Macht des Faktischen reagiert haben, teilweise logistisch überfordert schienen, Kommunen bei den Kosten im Regen stehen ließen und die Länder alle Forderungen nur an den Bund statt auch ein paar an sich selbst zu richten. Nordrhein-Westfalen reicht Bundesgelder nur zu 30 Prozent weiter und Sachsen ist mit einer Pauschale von 7.600 Euro pro Jahr und Flüchtling auch ziemlich knauserig.
Frauke Petry konnte ungeschützt das aussprechen, was sich eine große Mehrheit im Lande denkt und jeder für sich in die Kategorie „gesunder Menschenverstand“ einordnet, aber nicht mehr laut zu sagen traut. Denn nach den dummdreisten Brutalos und Chaoten in Heidenau ist ja jeder Sachse, der nur die geringste Kritik oder auch mal nur seine Ängste oder Befürchtungen ausspricht, Fragen stellt, informiert werden will, ein politisch ungebildeter, islamfeindlicher Dunkeldeutscher oder gleich ein Rassist oder Nazi.
Unter dem Diktat einer „Sprachpolizei“, wie es Helmut Markwort im „Focus“ treffend formuliert hat, haben nur noch die Träger der Willkommenskultur eine Chance, medial freundlich wahrgenommen zu werden. Die große schweigende Mehrheit, die wir alle noch brauchen werden, damit wir diese Herausforderung meistern, ohne dass uns die Gesellschaft auseinanderbricht, hat sich resigniert zurückgezogen. Aber das Wasser kocht noch, auch wenn ein Deckel drauf gelegt wurde. Da wird ein Ventil gesucht, das spätestens mit der nächsten Bundestagswahl gefunden ist: „Wir wissen, was wir wählen, und das ist das erste Mal seit der Wende keine der etablierten Parteien und auf keinen Fall mehr Frau Merkel“, sagt mir ein älteres Ehepaar.
„Manchem Stamm-Unionisten den Boden unter den Füßen wegezerrt“
Ich weiß nicht, warum wir in Deutschland immer von einem Extrem ins andere fallen müssen, das Augenmaß verlieren und nicht das Ende bedenken. Die Kanzlerin hat gegen ihren sonstigen eher bedachten Führungsstil durch verordnete Kehrtwenden eine Schippe drauf gelegt. Sie hat die Welt zwar damit verblüfft, den Flüchtlingen international sozusagen den Marschbefehl gegeben, den politischen Gegnern der Wind aus den Segeln genommen, aber so manchem Stamm-Unionisten ohne Vorwarnung den Boden der politischen Heimat unter den Füßen wegezerrt. Ist das ihre persönliche Überzeugung, Strategie oder Machtinstinkt oder alles zusammen? Man kann das bewundern, die Auswirkungen bleiben aber ein Ritt auf der Rasierklinge, nicht nur für die Union.
Angela Merkel ahnt vermutlich, dass sie manche ihrer Ziele nicht durch Entscheidungen nach demokratischen Prozessen erreicht. Also schafft sie überraschend Fakten, nach denen sich alle sehr bemühen und kreativ gestalterisch tätig werden müssen, damit diese Entscheidungen alternativlos werden. Die Energiewende, das Asylversprechen gehören dazu. Letzteres trägt sich aber nicht wie bei der Atomlobby auf dem Rücken einer gut betuchten Branche aus, sondern auf dem Rücken von durch den Massenansturm maßlos belasteten Behördenmitarbeitern, Polizisten und Kommunen und wegen der „Ausnahmeregelung“ auch auf dem Rücken der Flüchtlinge. Die können das Grenze-auf-Grenze-zu-Spiel nun überhaupt nicht verstehen und ignorieren es einfach, wodurch die Rechtssicherheit ein weiteres Mal auf der Strecke bleibt.
Als vergleichsweise wenig Asylanten im Lande waren und man mit den Nichtintegrationswilligen der zweiten und dritten Einwanderergeneration zu kämpfen hatte, sagte die Kanzlerin noch, „Multikulti“ sei gescheitert. Jetzt wo die ganze Welt eingeladen ist, soll das plötzlich funktionieren und natürlich alles ganz ohne „deutsche Leitkultur“. Selbst zwei gut integrierte syrische Ärzte aus einer Klinik meines Wahlkreises sagen: „Die Deutschen sind völlig verrückt und sich der Konsequenzen nicht bewusst.“
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