Die islamistische Szene in Deutschland wächst ungebremst weiter. Damit wird auch der Nährboden für den Dschihad immer größer. Salafisten wollen auch in Deutschland einen islamischen Staat errichten.
Der Terror ist nicht auf dem Weg nach Europa, er ist schon hier. Und die Anschläge werden sich häufen, sagt Terror-Experte Peter Neumann. Er sieht in der Deradikalisierung und Prävention die wirksamsten Gegenmittel.
«Europa steht am Beginn einer neuen Terrorismuswelle», warnt Professor Peter Neumann, Politikwissenschaftler und Experte für islamistischen Terror.
Dabei wächst hierzulande die Angst, dass sich IS-Terroristen unbemerkt unter die Flüchtlinge mischen. Doch der renommierte Terrorismus-Forscher erachtet diese steigende «Hysterie» als unbegründet: «Dass der IS aktiv und systematisch Leute nach Europa einschleust, trifft nicht zu.» Die Gefahr gehe nicht vom Islamischen Staat aus: «Dagegen ist es ein echtes Problem, dass hochradikalisierte Muslime und potenzielle Terroristen längst unter uns leben.»
Die Ängste der Bürger müssen ernstgenommen werden
Die Angst in der Bevölkerung nimmt zu. Sie beschert Gruppierungen wie Pegida Zuwachs. Dies werde zur Polarisierung und Entzweiung unserer Gesellschaft führen, indem sich «die Extreme gegenseitig hochschaukeln.» Das Zusammenleben mit anderen Kulturen werde dadurch zusätzlich erschwert, was insbesondere für Minderheiten zur Bedrohung werden kann.
Neumann sieht die Lösung darin, dass diese Ängste des Bürgers nicht ignoriert werden, sondern vor allem in der Politik Gehör finden: «Wichtig ist, dass die Politiker die Sorgen der Bürger ernst nehmen und sich aktiv ihren Fragen stellen.»
Die Gefahr geht vom Salafismus aus
Der Terror werde Europa heimsuchen, so der Terrorismus-Experte. Doch woher genau kommt die Gefahr? Nur bei den zurückkehrenden IS-Kämpfern und IS-Sympathisanten nach Terroristen zu suchen, sei ein Fehler, so Neumann. Symptombekämpfung müsse daher Ursachenbekämpfung weichen.
«Wer nach potenziellen Terroristen sucht, wird bei den Salafisten fündig. Praktisch alle europäischen Dschihadisten sind vom Salafismus radikalisiert worden.»Laut dem Politikwissenschaftler werden die Anschläge nicht den komplexen und sorgfältig geplanten Aktionen von Gruppen wie al-Kaida gleichen. Die Bedrohung werde von «einsamen Wölfen» kommen, die unkoordinierte und einfache Anschläge planen, wie es beispielsweise der Attentäter vom Thalys-Zug vorhatte.
Flüchtlinge sind nicht Zielgruppe der Salafisten
Flüchtlinge seien gemäß Neumann nicht die passende Zielgruppe der Salafisten: «Die Flüchtlinge, die jetzt kommen, sind momentan noch begeistert von Europa, sie wollen sich hier eine gute Zukunft aufbauen.» Denn attraktiv für den Salafismus, ein ultrakonservativer und fundamentalistischer Zweig des Islams, seien jene Leute, die vom Leben oder Europa enttäuscht wurden, die «Gestrandeten, Orientierungslosen und Zurückgelassenen.»
Sie fänden im fundamentalistischen Islam Antworten und Akzeptanz. Dabei werde ihre Enttäuschung vom Westen in Hass umgewandelt. Muslimische Flüchtlinge könnten daher erst im Fall einer gescheiterten Integration radikalisiert werden.
Deradikalisierung als Lösung
Was kann nun gegen diese drohende Welle des Terrorismus getan werden? Eine Aufstockung der Sicherheitsbehörden sei nicht die Lösung, meint Neumann. Er betont die Wichtigkeit der Ursachenbekämpfung, welche die Terrorabwehr entlasten soll. «Jedes Land braucht eine nationale Strategie. Dazu gehört auch ein Konzept mit Prävention, Intervention und Deradikalisierung.»
Man solle gezielt versuchen, radikalisierte Personen vom Salafismus abzubringen. Dabei tritt der religiöse Aspekt in den Hintergrund. Der Salafismus vermittelt «Rebellion, Stärke, Maskulinität und Abenteuer.» Weil man wisse, welche Gruppierungen anfällig dafür sind, rekrutiert zu werden, müsse genau an diesem Punkt gearbeitet werden. Bei der Deradikalisierung gehe es darum, alternative Lösungen zu finden: «Es geht um die Frage, welche persönlichen Probleme oder Krisen den Salafismus für diese Person attraktiv gemacht haben und welche Lösungen es dafür gibt.»
Muslimische Gesellschaft muss aktiv werden
Dabei ist der Experte von der muslimischen Gesellschaft enttäuscht. Er erhofft sich mehr Unterstützung. Doch wegen steigender Überalterung verschliesse die traditionelle Gemeinschaft die Augen vor den Problemen der Jungen und könne daher nicht mehr als Ansprechpartner dienen: «Sie haben nichts zu sagen zu Themen wie Identität, Sex oder Drogen, die die Jugendlichen tatsächlich beschäftigen», so Neumann. Junge Muslime seien daher speziell empfänglich für salafistische Prediger, da diese alle Themen ansprechen würden.
Auch zum Krieg gegen den IS bezieht Peter Neumann Stellung. Seiner Meinung nach sei dabei die «Strategie der Eindämmung» das einzig Zielführende. Den IS davon abzubringen, neue Gebiete einzunehmen, werde ihm wirtschaftlich so fest schaden, dass er besiegt werden kann.
Quelle: Blickpunkt.ch
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