„Haltet den Schuft – er schürt Ängste, er spielt Rechtspopulisten und Rechtsextremen in die Hände, er befeuert irrationale Befürchtungen…“ ist der kollektive Aufschrei der deutschen Eliten auf jede noch so geringfügige Abweichung von der politisch vorgeschriebenen Willkommens- und Durchhalte-Rhetorik. Nur und ausschließlich die Blockwarte der öffentlichen Meinung wissen, was, wie, wann und wo gesagt werden darf, damit die tumben Latenznazi-Bürger des Landes ja nicht auf falsche Ideen kommen.
Der Bundesinnenminister hat gar so wenig Vertrauen in die Denkfähigkeit seiner Wähler, dass er ihnen nicht mal zutraut, die Wahrheit über angekündigte Terroranschläge zu erfahren, denn “Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern”. Welche Arroganz dem Stimmvieh gegenüber sich hier manifestiert, ist den „Eliten“ offenkundig gar nicht bewusst. Unmündigkeit kommt neuerdings als Bürgertugend daher. Dahinter steckt eine zutiefst patriarchalische Einstellung, die sich anfangs sanft als „nudging“ und derzeit durch offene und rüde Bedrohung der Existenz von Abweichlern manifestiert.
Wehe den Defätisten, die es wagen, selbstständig zu denken und die verordnete Meinung zu hinterfragen. Die Nazikeule kreist mit ventilatorischer Drehzahl über der öffentlichen Meinung. Alle Andersdenkenden werden als Opfer ihrer wahlweise „dummen, irrationalen, tumben, hirnlosen, rechtspopulistischen, naziaffinen, fremdenfeindlichen, homophoben, islamophoben u.v.a.m.“ Natur in die rechte Ecke gestellt. In der rechten Ecke herrscht so ein Gedränge, dass die dorthin verfrachteten Leute anfangen müssen, sich zu organisieren.
Was aber steckt hinter diesem irrsinnig selbstzerstörerischen Umgang mit einem real existierenden Problem? Das altbekannte „dramatische Dreieck“ der Transaktionsanalyse nach Karpmann und Berne kann uns hier ein bisschen Klarheit vermitteln. Das dramatische Dreiecks-Beziehungsmuster besteht aus zwei Parteien, die sich in drei Rollen tummeln - Opfer, Retter und Verfolger. Es gibt kein festes Ende dieses Prozesses und die Rollen wechseln willkürlich und ständig.
Doch beginnen wir beim Anfang. Die deutschen Eliten sahen sich zu Beginn dieses Prozesses als Retter an, welche die vermeintlichen Opfer, nämlich die einfachen Bürger, mit ihren „irrationalen Ängsten, ihren Phobien und ihrer latenten rechten Meinungen“, vor sich selbst retten mussten. Die „Opfer“ wurden dabei nicht gefragt, ob sie gerettet werden wollten.
Die Opfer reagierten zu weiten Teilen unfroh, als sie merkten, dass sie von den Eliten vor etwas gerettet werden sollten, das sie gar nicht als Problem wahrnahmen - sie fühlten sich eher bevormundet. Dies artikulierten sie auf ihre gewohnt demokratische Weise: in Leserzuschriften, in den sozialen Medien und sogar auf den friedlichen Demonstrationen der vielen Gidas.
Diese vermeintliche Undankbarkeit der Opfer löste bei den Rettern ihrerseits nunmehr Unverständnis und Wut aus. Die Opfer wollen nicht gerettet werden? Also müssen sie doch tatsächlich so abgrundböse sein, wie befürchtet.
Die Retter wechselten die Rolle und wurden zu Verfolgern. Die Opfer wurden mit allen möglichen negativen Eigenschaften behängt, um sie einzuschüchtern und zum vermeintlichen Wohlverhalten zu drängen. Aber, wie immer im Leben - Actio gleich Reactio - jetzt schlüpften die einstigen Opfer in die Verfolgerrolle und fingen an, die einstigen Retter zu verfolgen: „Lügenpresse, Merkel muss weg…“ Das geht gar nicht! Sofort wurden aus den Eliten erneut Verfolger, diesmal mit Wut im Bauch auf die „braune Soße“ und es wurde weiter blindlings mit der Nazikeule um sich geschlagen.
Das ist der derzeitige Zustand unserer Gesellschaft: das dramatische Dreieck ist in einer Eskalationsspriale gefangen und bedroht die Demokratie Deutschlands. Die Gesellschaft ist tief gespalten.
Wie kann der Teufelskreis des dramatischen Dreiecks aufgebrochen werden? Es gibt nur einen Weg: die Retter müssen die Opfer fragen, ob sie wirklich gerettet werden wollen?
Aber da bin ich zugegebenermaßen mehr als skeptisch. Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass die deutschen Eliten sich zu einer Volksbefragung durchringen. Weil sie deren Ausgang ganz genau erahnen und auch ganz genau zu wissen glauben, dass man dem tumben rechtslastigen Wahlvolk solch schwierige Entscheidungen nicht zutrauen kann.
Was die Eliten bei all ihrer vermeintlich geistigen Überlegenheit noch nicht bedacht haben: es bahnt sich in unserem Land ein neues, noch viel dramatischeres Dreieck an. Die Eliten haben vor allem Flüchtlinge als Opfer ernannt. Noch lassen sich die Flüchtlings-Opfer von den Elite-Rettern ungefragt retten. Aber es gibt schon Anzeichen, dass diese „Opfer“ nicht immer das eingeforderte Wohlverhalten und die Dankbarkeit „anständiger Opfer“ an den Tag legen. Was, wenn die Hoffnungen vieler Flüchtlinge auch noch maßlos enttäuscht werden? Was angesichts ihrer Zahl niemanden verwundert. Was, wenn „wir“ das nicht schaffen?
Wenn dieser Prozess eskaliert mag ich mir gar nicht vorstellen, was dann geschieht.
Manfred Haferburg ist in der DDR aufgewachsen und lebt heute in Paris. Das Vorwort zu seinem Roman Wohnhaft schrieb Wolf Biermann.
Quelle: http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/print/0039378
BRD, Deutschland, Flüchtlinge, Geschichte, Gutmenschen, Krisenvorsorge, Masseneinwanderung, Massenhystrie, Massenmanipulation, Metapolitik, Politik, Rückzug ins Private
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