Ein verweigerter Handschlag zweier Jugendlicher, eine unmöglicheVereinbarung, die übliche mediale Erregung und zahlreiche Erklärungen von Islamexperten, Frauenrechtlerinnen, kantonalen Erziehungsdirektoren, ja sogar einer Bundesrätin sorgten wieder einmal für eine deftige Islamdebatte. Das Muster ist immer dasselbe. Man reibt sich an Symbolen, spricht von Anstandsregeln und verpasst darüber den fokussierten Blick auf Entwicklungen, die durchaus ernst zu nehmen wären.
Ahmed (Name geändert) zum Beispiel hat mir immer die Hand gegeben. Er hat auch den Lehrerinnen die Hand gegeben.
Ahmed ist der Sohn von Aysche (Name geändert), die im zarten Alter von 9 Jahren in den 80ger Jahren in einer Vorortsgemeinde von Biel in die Schule kam. Da sie ein sehr lernwilliges Mädchen und überdies auch die einzige Fremdsprachige weit und breit war, lernte sie die deutsche Sprache rasch und so gut, dass sie nach der Schule eine Lehre als Apothekerhelferin machen konnte, was damals als eher anspruchsvolle Berufsausbildung galt.
Nach dem erfolgreichen Abschluss ihrer Lehre heiratete sie einen Mann aus ihrem Dorf in der Türkei und zog nach Biel. Der Mann konnte kein Deutsch, hatte aber dafür seine religiösen Prinzipien. Aysche gab ihren Job auf, verdeckte ihr Haar unter einem Kopftuch, bekam einen Sohn, dann noch einen und schliesslich einen dritten. Ihr Mann fand keinen Job und heute lebt die ganze Familie von der Sozialhilfe.
Als ihr erster Sohn Ahmed eingeschult wurde, sprach er kein einziges Wort Deutsch. Damit war seine Schulkarriere vorprogrammiert. Er landete in einer Bieler Realklasse, die 100% aus Schülern bestand, die zu Hause kein Deutsch sprachen. Er erhielt zwar dreimal so viele Stützlektionen wie seine Mutter, die auch heute noch perfekt Deutsch spricht, aber sein Lernzuwachs hielt sich in bescheidenen Grenzen. In der 8. Klasse begann er zu kompensieren, das heisst, er verprügelte mit einer Gang andere Schüler, machte kaum noch Aufgaben und landete schliesslich bei mir. Wir konnten es recht gut miteinander. In den letzten Monaten, die er noch in der Schule war, versuchte er, seine Defizite aufzuholen und verprügelte niemanden mehr. Danach folgte ein 10. Schuljahr und aktuell befindet er sich in einem Integrationsprogramm.
Einen Handschlag zu verweigern, wäre ihm nie in den Sinn gekommen. Nicht nur, weil ich ein Mann war. Er wusste, dass er einen Lehrer vor sich hatte, der sich für ihn interessierte. Hätte er mit solchen Spässchen angefangen, wäre ich eingefroren. Kein „ich will, dass du das kannst", keine Zeit nach der Schule, in welchem ich ihm die proportionale Zuordnung noch einmal erklärte. Und mir wäre es nie in den Sinn gekommen, bei einer Handschlagverweigerung die Schulleitung einzuschalten oder gar nach einem Reglement zu rufen.
Die Handschlagsgeschichte ist erzählenswert, weil sie ein Licht wirft auf Verhaltensweisen, die uns immer wieder ratlos hinterlassen und deren Folgen gravierend sind. Die Verweigerung des Handschlags ist ja längst nicht die einzige Regel für den Alltag, welche unsere muslimischen Fundis, aus einem Buch herleiten, das Menschen vor über 1500 Jahren geschrieben haben. Das Tragen des Kopftuchs während des Unterrichts, kein Schweinefleisch in der Hauswirtschaft, Halal-Fleisch im Lager, kein Schwimmunterricht dafür ein Gebetsraum in der Schule, ein „Früheres aus der Schule gehen", damit das Freitagsgebet nicht verpasst wird, Lagerdispensationen, Ramadanfeiern, die Liste der Wünsche ist lang und – das ist ein Erfahrungswert – je länger die Liste, desto geringer der Schulerfolg. Womit wir beim eigentlichen Problem wären. Denn Ahmed ist bei weitem kein Einzelfall.
Menschen kommen zu uns, weil sie eine Perspektive suchen. Und die meisten erkennen die Chancen, die dieses einmalige Land ihnen bietet. Andere aber wollen genau so leben wie dort, woher sie gekommen sind. Aus Wirtschaftsmigranten werden so Versorgungsmigranten, denn auch das bietet unser Land. Verlässliche Gesetze, die für einen Staat sorgen, in welchem niemand fallen gelassen wird und der zudem für die Konsequenzen dieser Lebenseinstellung aufkommt. Handschlag hin oder her. Fragt sich noch, wie lange, denn um Aysche und ihre Familie zu versorgen benötigen wir zwei gute Steuerzahler.
Alain Pichard ist Grünliberaler Stadtrat in Biel und seit 40 Jahren Lehrer in sozialen Brennpunktschulen.
Postscriptum (Ausschnitt aus einer mail an Freunde als Ergänzung zu diesem Beitrag):
Liebe Freunde,
Wie oft bin ich als Lehrer (oder wir als Schule) schon mit Sonderwünschen bezüglich Schwimmunterricht konfrontiert worden: Schwimmdispens, Burkini, kein gemeinsames Baden mit Jungs, nur Frauen als Schwimmlehrer für Mädchen, nur Männer als Schwimmlehrer für Jungs, Dispens für Ausflüge ins Strandbad, das „verhüllt unter einem Baumschatten sitzen dürfen" während die anderen im See schwimmen.
Und nun noch der: Vorgestern telefonierte eine Schulinspektorin einer Bieler Schulleitung. Sie sei mit einem besonderen Problem konfrontiert: In einer Seeländer Gemeinde (nicht Biel!!!!) weigerten sich muslimische Kinder im Wasser zu baden, wenn in diesem Wasser schon Jungs gebadet hätten! Zur Klärung: Die Schule ist offensichtlich bereits dem Wunsch nach geschlechter-getrennten Schwimmunterricht nachgekommen! Salemaleikum!
Quelle: http://www.achgut.com/artikel/ahmed_gab_mir_immer_die_hand
Ahmed (Name geändert) zum Beispiel hat mir immer die Hand gegeben. Er hat auch den Lehrerinnen die Hand gegeben.
Ahmed ist der Sohn von Aysche (Name geändert), die im zarten Alter von 9 Jahren in den 80ger Jahren in einer Vorortsgemeinde von Biel in die Schule kam. Da sie ein sehr lernwilliges Mädchen und überdies auch die einzige Fremdsprachige weit und breit war, lernte sie die deutsche Sprache rasch und so gut, dass sie nach der Schule eine Lehre als Apothekerhelferin machen konnte, was damals als eher anspruchsvolle Berufsausbildung galt.
Nach dem erfolgreichen Abschluss ihrer Lehre heiratete sie einen Mann aus ihrem Dorf in der Türkei und zog nach Biel. Der Mann konnte kein Deutsch, hatte aber dafür seine religiösen Prinzipien. Aysche gab ihren Job auf, verdeckte ihr Haar unter einem Kopftuch, bekam einen Sohn, dann noch einen und schliesslich einen dritten. Ihr Mann fand keinen Job und heute lebt die ganze Familie von der Sozialhilfe.
Als ihr erster Sohn Ahmed eingeschult wurde, sprach er kein einziges Wort Deutsch. Damit war seine Schulkarriere vorprogrammiert. Er landete in einer Bieler Realklasse, die 100% aus Schülern bestand, die zu Hause kein Deutsch sprachen. Er erhielt zwar dreimal so viele Stützlektionen wie seine Mutter, die auch heute noch perfekt Deutsch spricht, aber sein Lernzuwachs hielt sich in bescheidenen Grenzen. In der 8. Klasse begann er zu kompensieren, das heisst, er verprügelte mit einer Gang andere Schüler, machte kaum noch Aufgaben und landete schliesslich bei mir. Wir konnten es recht gut miteinander. In den letzten Monaten, die er noch in der Schule war, versuchte er, seine Defizite aufzuholen und verprügelte niemanden mehr. Danach folgte ein 10. Schuljahr und aktuell befindet er sich in einem Integrationsprogramm.
Einen Handschlag zu verweigern, wäre ihm nie in den Sinn gekommen. Nicht nur, weil ich ein Mann war. Er wusste, dass er einen Lehrer vor sich hatte, der sich für ihn interessierte. Hätte er mit solchen Spässchen angefangen, wäre ich eingefroren. Kein „ich will, dass du das kannst", keine Zeit nach der Schule, in welchem ich ihm die proportionale Zuordnung noch einmal erklärte. Und mir wäre es nie in den Sinn gekommen, bei einer Handschlagverweigerung die Schulleitung einzuschalten oder gar nach einem Reglement zu rufen.
Die Handschlagsgeschichte ist erzählenswert, weil sie ein Licht wirft auf Verhaltensweisen, die uns immer wieder ratlos hinterlassen und deren Folgen gravierend sind. Die Verweigerung des Handschlags ist ja längst nicht die einzige Regel für den Alltag, welche unsere muslimischen Fundis, aus einem Buch herleiten, das Menschen vor über 1500 Jahren geschrieben haben. Das Tragen des Kopftuchs während des Unterrichts, kein Schweinefleisch in der Hauswirtschaft, Halal-Fleisch im Lager, kein Schwimmunterricht dafür ein Gebetsraum in der Schule, ein „Früheres aus der Schule gehen", damit das Freitagsgebet nicht verpasst wird, Lagerdispensationen, Ramadanfeiern, die Liste der Wünsche ist lang und – das ist ein Erfahrungswert – je länger die Liste, desto geringer der Schulerfolg. Womit wir beim eigentlichen Problem wären. Denn Ahmed ist bei weitem kein Einzelfall.
Menschen kommen zu uns, weil sie eine Perspektive suchen. Und die meisten erkennen die Chancen, die dieses einmalige Land ihnen bietet. Andere aber wollen genau so leben wie dort, woher sie gekommen sind. Aus Wirtschaftsmigranten werden so Versorgungsmigranten, denn auch das bietet unser Land. Verlässliche Gesetze, die für einen Staat sorgen, in welchem niemand fallen gelassen wird und der zudem für die Konsequenzen dieser Lebenseinstellung aufkommt. Handschlag hin oder her. Fragt sich noch, wie lange, denn um Aysche und ihre Familie zu versorgen benötigen wir zwei gute Steuerzahler.
Alain Pichard ist Grünliberaler Stadtrat in Biel und seit 40 Jahren Lehrer in sozialen Brennpunktschulen.
Postscriptum (Ausschnitt aus einer mail an Freunde als Ergänzung zu diesem Beitrag):
Liebe Freunde,
Wie oft bin ich als Lehrer (oder wir als Schule) schon mit Sonderwünschen bezüglich Schwimmunterricht konfrontiert worden: Schwimmdispens, Burkini, kein gemeinsames Baden mit Jungs, nur Frauen als Schwimmlehrer für Mädchen, nur Männer als Schwimmlehrer für Jungs, Dispens für Ausflüge ins Strandbad, das „verhüllt unter einem Baumschatten sitzen dürfen" während die anderen im See schwimmen.
Und nun noch der: Vorgestern telefonierte eine Schulinspektorin einer Bieler Schulleitung. Sie sei mit einem besonderen Problem konfrontiert: In einer Seeländer Gemeinde (nicht Biel!!!!) weigerten sich muslimische Kinder im Wasser zu baden, wenn in diesem Wasser schon Jungs gebadet hätten! Zur Klärung: Die Schule ist offensichtlich bereits dem Wunsch nach geschlechter-getrennten Schwimmunterricht nachgekommen! Salemaleikum!
Quelle: http://www.achgut.com/artikel/ahmed_gab_mir_immer_die_hand
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen