Montag, 30. Mai 2016

Gauland wegen rassistischer Äußerung massiv unter Druck, Ein Fall Gauland oder FAZ?

Jetzt hat sich auch Merkel in den Gauland-FAZ-Streit eingemischt: „… ein niederträchtiger und ein trauriger Satz" sei die Gaulandsche Äußerung in der FAS. In der Tat, dieser Satz ist inakzeptabel. Jetzt müssen die „Aufzeichnungen" der Journalisten auf den Tisch und zwar sofort!

CC BY-SA 2.0 - Foto: Christian Jung V 

Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben." Mit diesem Satz aus einem „Hintergrundgespräch", das der AfD-Vize Alexander Gauland mit dem FAZ/FAS-Journalisten Eckart Lohse und Markus Wehner vor einer Woche in Potsdam geführt hatte, wurde Gauland gestern in der FAS wörtlich zitiert.
Eine Verurteilungs-, Entrüstungs- und Empörungswelle aus allen Richtungen der Politik und der Medien war die sofortige Folge der Veröffentlichung.
Und jetzt hat sich auch Merkels Regierungssprecher Steffen Seibert in die Reihe der Gauland-Kritiker eingereiht: "Der Satz, der da gefallen ist, ist ein niederträchtiger und ein trauriger Satz", sagte Seibert am Montag in Berlin.
Gauland hat prompt reagiert und bringt vor, falsch zitiert worden zu sein, Boateng nicht beleidigt haben zu wollen und sagte am Montag gegenüber dpa: „Ich bin natürlich kein Rassist". Die FAZ und FAS kontern, dass beide Journalisten das Gespräch aufgezeichnet hätten und dass ihre Aufzeichnungen übereinstimmten. Die FAZ: „Beide Kollegen haben die Passage aufgezeichnet, ihre Aufzeichnungen stimmen überein".
Ein bisschen geht es durcheinander, ob es sich um ein Hintergrundgespräch, ein Interview oder eine Mixtur aus beiden handelte. Gauland hätte den Journalisten vertraut und ausdrücklich auf eine Autorisierung des Gesprächs verzichtet, soviel scheint sicher zu sein. Auch scheint übereinstimmende Darstellung beider Seiten zu sein, dass Gauland aus dem Teil des Gespräches, in dem er sich mit seinen eigenen Parteigenossen auseinandersetzte, nicht zitiert wissen wollte.

Gibt es einen Audiomitschnitt oder handschriftliche Aufzeichnungen?

In der Tat: Der Satz, so wie er jetzt für sich gesehen da steht, schreit förmlich nach mehr, also nach dem Kontext. Wie war der Kontext? Wie war es jetzt? Wer sagt jetzt die Wahrheit? Wer die Unwahrheit? Gauland oder die Journalisten? Wenn zwei Parteien sich in tatsächlicher Hinsicht über einen Satz streiten, dann ist das die typische Situation, die sauber gar nicht anders gelöst werden kann, als dass jetzt beide Seiten einvernehmlich alle Unterlagen vollständig und gegebenenfalls entsprechenden eidestattlichen Versicherungen, testierte Gedächtnisprotokolle der Journalisten und Gaulands usw. schnellstmöglich der Öffentlichkeit vorlegen.
Da die FAS/FAZ nun auftrumpft, nach dem Motto: Ätsch, wir haben aber Aufzeichnungen, ist das, was jetzt zum öffentlichen Eklat geworden ist, wie Merkels Einlassung auch zeigt, geradezu zur Staatsaffäre geworden, die keine offenen Fragen mehr zulässt.
Aufzeichnungen der beiden Journalisten meint üblicherweise einen Audiomitschnitt. Da ist der Zusatz der FAZ, dass beide Aufzeichnungen übereinstimmen, etwas sonderbar. Wenn zwei Tonbandgeräte dasselbe Geräusch aufnehmen, dann ist es eine Selbstverständlichkeit, dass beide Aufzeichnungen der Sache nach identisch sind. Oder handelt es sich nicht um Tonbandaufzeichnungen, sondern um schriftliche Aufzeichnungen, handschriftliche Aufzeichnungen? Jetzt jedenfalls wird der Kontext auf Punkt und Komma genau von entscheidender Bedeutung.
Was hat Gauland objektiv gesagt? Was hat er tatsächlich oder mutmaßlich gemeint? Was muss er sich zurechnen lassen? Hat er den Namen Jerome Boateng in das Gespräch eingeführt und ihn bejahendenfalls ganz konkret gemeint oder beispielhaft? Oder haben die Journalisten den Namen Boateng zuerst eingebracht? Hat Gauland den Namen ausgesprochen, was er bestritten hat, oder woran er sich nicht mehr erinnert, oder nicht mehr erinnern will? Angesicht des Gewichts des Inhalts der Veröffentlichung wäre es von beiden Seiten, also von Gauland und der FAS/FAZ, ein schwerwiegendes Versagen, wenn sie nicht gemeinsam einer uneingeschränkten Veröffentlichung der Aufzeichnungen zustimmten und diese Veröffentlichung dann auch entsprechend vornähmen.
Wenn es sich um handschriftliche Aufzeichnungen handelt sollte, dann gilt exakt das Nämliche. Auch wenn es sich um Gedächtnisprotokolle handeln sollte. Jetzt gilt nach allen Regeln der journalistischen Kunst und der fairen öffentlichen Auseinandersetzung: Her mit dem genauen „Tathergang"! Her mit den Aufzeichnungen!
Zwei Journalisten, ein Gesprächspartner, keine Autorisierung – das spricht für ein Gespräch auf Augenhöhe, auf Vertrauensbasis. Dass ein Politprofi rassistisch austickt, wie es die öffentliche Mehrheitsmeinung bewertet, ist verwunderlich. Daran ändert auch seine Einlassung nichts, er habe nur eine von ihm wahrgenommene Befindlichkeit Anderer wiedergeben wollen und konkret Boateng nicht herabsetzen wollen. Andere von der FAS/FAZ kolportierte Aussagen Gaulands lassen sich soweit bekannt nicht mit der Person Boateng in Verbindung bringen, erläutern aber ein bisschen den Kontext, in den Gesprächsverlauf. So hat Gauland offenbar die auch schon bekannte Linie verfolgt, dass es ihm nicht um eine religiöse Verteidigung des Christentums ginge, sondern dass das Wort Christentum für ihn nur ein Synonym für Abendland und Aufklärung wäre und er sich gegen ein irgendwie offenbar drohendes muslimisches Übergewicht in der Gesellschaft zur Wehr setzte: "Die Wähler der AfD wollten aber, dass man für „ihr So-Sein" kämpfe, für alles, „was man von den Vätern ererbt" habe. „Das Christentum ist dafür dann eine Metapher." Die große Zahl der Fremden sei das eigentliche Problem, so Gauland."
Falls es um Integrationsprobleme in dem Gespräch gegangen sein sollte, um die laut Merkel fehlgeschlagene Multikulti-Idee, stellt sich die Frage, warum es in dem Gespräch angesichts der vielen Millionen Migranten und inzwischen auch vielen Millionen Einwanderern in Europa, explizit um Boateng gegangen ist, der eine deutsche Mutter und einen ghanaischen Vater hat und zu keinem Zeitpunkt überhaupt einen wirklichen Integrationsfall darstellt, geschweige denn einen Fall, in dem erst eine Integrationshürde hätte überwunden werden müssen.
Nur weil Boateng ein erfolgreicher Fußballer ist, ist er zwar medial interessant, aber eigentlich kein prädestinierter Fall für die schräge oder gerade Diskussion zwischen FAZ und Gauland. Es würde jedenfalls erstaunen, dass irgendjemand so mir nichts, dir nichts mit dem bekloppten Satz auftrumpfen würde, dass Niemand neben Jerome Boateng wohnen wollte. Das möchte man schon wissen.
Zunächst schadet der Vorgang der AfD und Gauland. Aber wenn die FAZ die Zweifel der Unkorrektheit nicht ausräumen kann wird es auch für sie gefährlich: Hintergrundgespräche leben von der Vertraulichkeit; wer sie nicht wahrt, wird keine mehr führen können – ganz egal, mit welcher Parteimitgliedschaft. Das ist sich die FAZ selbst schuldig – immerhin das anerkannte Qualitätsblatt des Landes, und die beiden Kollegen sind für ihre Arbeit ebenfalls anerkannt und geschätzt. Da darf kein Zweifel bleiben.
Quelle: http://www.rolandtichy.de/daili-es-sentials/ein-fall-gauland-oder-faz/

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