Freispruch für Glyphosat: Ausgerechnet ein Gremium der Weltgesundheitsorganisation bescheinigt dem Stoff jetzt: „Nicht krebserregend". Dabei waren es gerade WHO-Experten, die 2015 mit einem alarmistischen wie fadenscheinigen Papier den Stoff ins Gerede gebracht hatten.
Es wird spannend im Vorfeld der entscheidenden Sitzung in Brüssel am Donnerstag: Der EU-Ausschuss für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz muss darüber befinden, ob das Herbizid Glyphosat auf den Äckern der EU weiter eingesetzt werden darf oder nicht. Mitten hinein in die heiß laufende Debatte über das Mittel platzte am Pfingstmontagabend eine aufsehenerregende Nachricht: Ein gemeinsamer Ausschuss zweier UN-Organisationen, zuständig für Gesundheit (WHO) sowie Ernährung und Landwirtschaft (FAO), habe festgestellt: Eine krebserregende Wirkung, die einige Fachleute dem Stoff unterstellen, sei unwahrscheinlich. „Die Experten sind nach eingehender Analyse aller vorliegenden Daten zu dem Schluss gekommen, dass für den Verbraucher von den Glyphosatrückständen in Lebensmitteln kein Gesundheitsrisiko ausgeht", sagt WHO-Sprecherin Angelika Tritscher. „Nationale Behörden sind aufgefordert, angemessene Grenzwerte in Lebensmitteln festzulegen und zu kontrollieren, um den Verbraucher zu schützen."
Geht nun also, nach der neuerlichen Stimme aus der WHO, an der sich abzeichnenden größten Zäsur im europäischen Ackerbau der Nachkriegszeit doch noch ein Weg vorbei? Es war bereits eingetütet, das baldige Ende der konventionellen Landwirtschaft und die zwangsweise Umstellung auf flächendeckenden Biologischen Landbau. Auf nichts anderes schließlich würde es hinauslaufen, wenn mit „Glyphosat" nicht nur das am weitesten verbreitete, sondern auch das am besten erforschte und, jawohl, auch eines der nach allen Erkenntnissen der Wissenschaft gesundheitlich harmlosesten Herbizide in Kürze verboten wird. Übrigens geht Glyphosat auch recht schonend mit den Tieren um, macht allein den Pfanzen den Garaus, die man früher „Unkraut" nannte.
Logischerweise könnte dieser Stoff nicht durch irgendeinen anderen synthetischen ersetzt werden, jedenfalls nicht auf Dauer, ohne absehbares Trommelfeuer aus der breit gefächerten Lobby der Biolandwirtschaft. Dies stets mit Verweis auf Glyphosat, im Vergleich zu dem schließlich fast alle anderen Chemikalien schlechter abschnitten. Die Alternative hieße letztenendes: Unkraut jäten – auch auf den Äckern, die nicht nur die zahlungskräftigen Bio-Anhänger ernähren sollen, sondern die breite Masse der Bevölkerung. Es wäre nur eine Frage der Zeit, wann auch Insektizide und Fungizide auf den Index kämen, der referentielle Verweis auf Glyphosat wäre auch hierbei zu erwarten.
Völlig außer Acht blieb in der Debatte der vergangenen Monate, dass das IARC auch andere Stoffe des täglichen Bedarfs mit einer Krebsgefahr in Verbindung brachte, darunter Kaffee und Benzin. Natürlich schädigt Glyphosat – wie alle anderen Stoffe – ab einer bestimmten ausgebrachten Menge die Gesundheit. Ob dies im Entferntesten etwas mit den Mengen, die in der europäischen Landwirtschaft eingesetzt werden, zu tun hat oder nicht, ist eine ganz andere Frage. Das Risiko ist entscheidend, nicht die abstrakte Gefahr. Ansonsten müssten sämtliche Strände in sämtlichen wärmeren Regionen der Welt für Badetouristen gesperrt werden, weil an keinem von ihnen die Gefahr eines Haiangriffs theoretisch auszuschließen wäre. Der Alarmruf: „Hai frisst Mensch!" aber ist ohne Benennung der örtlichen Häufigkeit genauso wertlos wie „Glyphosat im Bier!" ohne Mengenangaben. Zur Erinnerung: Dass in unserem Körper sich ein sehr vielfältiger Cocktail an radioaktiven Nukliden befindet, heißt auch nicht, dass wir alle dem Atomtod ausgeliefert sind.
Doch all diesen Erkenntnissen zum Trotz ist vor einem guten Jahr eine haarsträubende Diskussion um Glyphosat entbrannt. Über soziale Netzwerke und mediale Lobbyarbeit wird ein Druck ausgeübt, der das Prinzip „Die Menge machts" völlig in den Hintergrund gerückt hat. Die Deutungshoheit liegt bei Grün, und da herrscht das alternative Prinzip der Absolutheit. So funktioniert in unseren Tagen die gesellschaftliche Dynamik. Die Angstmaschinerie arbeitet erfolgreich.
Im Vordergrund wurde dabei ein angebliches „Vorsorgeprinzip" gerückt, ein Primat, das sich bereits bei der Verteufelung der grünen Gentechnik bestens bewährt hat, auch wenn es ins Absurde gedreht wurde. Solange nicht eindeutig bewiesen sei, dass ein Stoff oder eine Methode zu 100 Prozent ungefährlich ist, dürfe nichts davon angewendet werden. Eine uneinlösbare Bedingung, da niemand in die Zukunft blicken kann. Dennoch ordneten Kommunalparlamente, die sich durch vorauseilenden Gehorsam auszeichnen wollten, an, dass auf den öffentlichen Flächen kein Unkraut mehr mit Glyphosat-haltigen Chemikalien bekämpft werden dürfe. Geschäftsführer von Garten- und Baumärkten, die Angst vor einem „Shitstorm" bei Twitter und Facebook oder vor Boykottaufrufen haben, nahmen die entsprechenden Mittel aus dem Sortiment, als würde allein schon ihr Anblick Krebs auslösen.
Mit einem derart absolut gesetzten Vorsorgeprinzip ließe sich schließlich auch die gegenläufige Politik rechtfertigen: Wie können wir es verantworten, uns von der konventionellen Landwirtschaft zu verabschieden, so lange wir nicht hundertprozentig sicher sind, dass die Menschheit sich von flächendeckender Biolandwirtschaft zu ernähren vermag? Wer könnte heute mit hundertprozentiger Sicherheit ausschließen, dass bis zum Ende des Jahrhunderts klimatische Bedingen herrschen, bei denen die Menschheit ohne gentechnisch veränderte Pflanzen verhungert? Also: Weg mit dem Gentechnik-Verbot! Oder, rückblickend gesehen: War die Einführung des Kunstdüngers durch Justus von Liebig einst überhaupt zu verantworten? Oder hätte man, vor allem aus heutiger Sicht, darauf verzichten müssen und die wachsenden städtischen Massen ihrer oft tödlichen Unterernährung überlassen sollen, weil die Auswirkungen der Agrochemie noch nicht für alle Ewigkeit evaluiert waren? Wohlweißlich arbeitet die Wissenschaft nicht mit absoluten Wahrheiten sondern mit Wahrscheinlichkeiten.
Alles andere würde nur auf Lähmungen hinauslaufen, würde Abwägungen aller Art unmöglich machen. Aus denen auch die hohe Schule der Politik besteht. Und der möglichst sparsame, schonende und kostenbewusste Umgang mit Glyphosat, zum Gewinn von Mensch und Natur.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Ulli kulkes Blog Donner und Doria hier
Foto: R Arno Flickr CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons |
Es wird spannend im Vorfeld der entscheidenden Sitzung in Brüssel am Donnerstag: Der EU-Ausschuss für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz muss darüber befinden, ob das Herbizid Glyphosat auf den Äckern der EU weiter eingesetzt werden darf oder nicht. Mitten hinein in die heiß laufende Debatte über das Mittel platzte am Pfingstmontagabend eine aufsehenerregende Nachricht: Ein gemeinsamer Ausschuss zweier UN-Organisationen, zuständig für Gesundheit (WHO) sowie Ernährung und Landwirtschaft (FAO), habe festgestellt: Eine krebserregende Wirkung, die einige Fachleute dem Stoff unterstellen, sei unwahrscheinlich. „Die Experten sind nach eingehender Analyse aller vorliegenden Daten zu dem Schluss gekommen, dass für den Verbraucher von den Glyphosatrückständen in Lebensmitteln kein Gesundheitsrisiko ausgeht", sagt WHO-Sprecherin Angelika Tritscher. „Nationale Behörden sind aufgefordert, angemessene Grenzwerte in Lebensmitteln festzulegen und zu kontrollieren, um den Verbraucher zu schützen."
Das Ende der konventionellen Landwirtschaft war bereits eingetütet
Grenzwerte also, kein Verbot, lautet die Empfehlung jenes gemeinsamen „Sachverständigenausschusses für Pestizidrückstände" (JMPR). Sie hat deshalb besonderes Gewicht, weil es gerade ein Institut der WHO war, auf deren Argumentation sich die Gegner des Stoffes seit 2015 stützten: Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC), ein Ableger der Gesundheitsorganisation, hatte da behauptet, es gehe von Glyphosat „wahrscheinlich" eine Krebsgefahr aus. Alle zuständigen Instanzen der EU wie etwa die Europäische Aufsichtsbehörde Efsa und das von ihr beauftragte deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung BfR bestreiten dagegen stets eine gesundheitliche Gefährdung durch die Anwendung von Glyphosat.Geht nun also, nach der neuerlichen Stimme aus der WHO, an der sich abzeichnenden größten Zäsur im europäischen Ackerbau der Nachkriegszeit doch noch ein Weg vorbei? Es war bereits eingetütet, das baldige Ende der konventionellen Landwirtschaft und die zwangsweise Umstellung auf flächendeckenden Biologischen Landbau. Auf nichts anderes schließlich würde es hinauslaufen, wenn mit „Glyphosat" nicht nur das am weitesten verbreitete, sondern auch das am besten erforschte und, jawohl, auch eines der nach allen Erkenntnissen der Wissenschaft gesundheitlich harmlosesten Herbizide in Kürze verboten wird. Übrigens geht Glyphosat auch recht schonend mit den Tieren um, macht allein den Pfanzen den Garaus, die man früher „Unkraut" nannte.
Logischerweise könnte dieser Stoff nicht durch irgendeinen anderen synthetischen ersetzt werden, jedenfalls nicht auf Dauer, ohne absehbares Trommelfeuer aus der breit gefächerten Lobby der Biolandwirtschaft. Dies stets mit Verweis auf Glyphosat, im Vergleich zu dem schließlich fast alle anderen Chemikalien schlechter abschnitten. Die Alternative hieße letztenendes: Unkraut jäten – auch auf den Äckern, die nicht nur die zahlungskräftigen Bio-Anhänger ernähren sollen, sondern die breite Masse der Bevölkerung. Es wäre nur eine Frage der Zeit, wann auch Insektizide und Fungizide auf den Index kämen, der referentielle Verweis auf Glyphosat wäre auch hierbei zu erwarten.
Eine Grunderprinzip der Medizin wurde ausgeblendet
Jetzt aber sagt die WHO: Grenzwerte, und keine Empfehlung für ein Verbot. So ist die Diskussion erstmal wieder da, wo sie vor zwei Jahren war, und wo sie auch hingehört: Es kommt auf die Menge an. Eine Erkenntnis, die in der Medizin und im Gebrauch chemischer Hilfsmittel seit Paracelsus gilt, weil ansonsten zum Beispiel auch alle Medikamente – auch sämtliche homöopathischen – verboten werden müssten. Dennoch wurde jenes Prinzip ganz bewusst von den Glyphosat-Gegnern ausgeblendet, ja dessen Gültigkeit ausdrücklich in Frage gestellt. Anders wäre die Behauptung des IARC („wahrscheinblich krebserregend") auch gar nicht anwendbar in der laufenden Diskussion. Schließlich konnte sich das Institut für seine Beurteilung nur auf dieselben wissenschaftlichen Studien stützen wie sie auch dem BfR und der Efsa zur Verfügung standen. Der Unterschied: Die IARC prüfte lediglich eine Gefahr, die von Glyphosat ausgeht, unabhängig von dem tatsächlichen Risiko, das sich aus den Mengen ergibt. Das BfR dagegen, die Efsa und nun auch das JMPR der WHO ermittelte eben jenes Risiko: die für den Verbraucher und Nutzer einzig entscheidende Größe.Völlig außer Acht blieb in der Debatte der vergangenen Monate, dass das IARC auch andere Stoffe des täglichen Bedarfs mit einer Krebsgefahr in Verbindung brachte, darunter Kaffee und Benzin. Natürlich schädigt Glyphosat – wie alle anderen Stoffe – ab einer bestimmten ausgebrachten Menge die Gesundheit. Ob dies im Entferntesten etwas mit den Mengen, die in der europäischen Landwirtschaft eingesetzt werden, zu tun hat oder nicht, ist eine ganz andere Frage. Das Risiko ist entscheidend, nicht die abstrakte Gefahr. Ansonsten müssten sämtliche Strände in sämtlichen wärmeren Regionen der Welt für Badetouristen gesperrt werden, weil an keinem von ihnen die Gefahr eines Haiangriffs theoretisch auszuschließen wäre. Der Alarmruf: „Hai frisst Mensch!" aber ist ohne Benennung der örtlichen Häufigkeit genauso wertlos wie „Glyphosat im Bier!" ohne Mengenangaben. Zur Erinnerung: Dass in unserem Körper sich ein sehr vielfältiger Cocktail an radioaktiven Nukliden befindet, heißt auch nicht, dass wir alle dem Atomtod ausgeliefert sind.
Die Angstmaschinerie arbeitet erfolgreich
Was ebenfalls aus der Diskussion ausgeblendet wurde: Die Studien, die der scharfen Debatte zugrunde liegen, haben fast alle die im Handel befindlichen Pflanzenschutzmittel zum Gegenstand, zum Beispiel „Roundup", nicht aber das isolierte Glyphosat. Das BfR geht davon aus, dass in diesen Mixturen (im Expertenjargon: „Formulierungen") andere Stoffe weit höhere toxische Wirkungen haben als der inkriminierte Stoff selbst.Doch all diesen Erkenntnissen zum Trotz ist vor einem guten Jahr eine haarsträubende Diskussion um Glyphosat entbrannt. Über soziale Netzwerke und mediale Lobbyarbeit wird ein Druck ausgeübt, der das Prinzip „Die Menge machts" völlig in den Hintergrund gerückt hat. Die Deutungshoheit liegt bei Grün, und da herrscht das alternative Prinzip der Absolutheit. So funktioniert in unseren Tagen die gesellschaftliche Dynamik. Die Angstmaschinerie arbeitet erfolgreich.
Im Vordergrund wurde dabei ein angebliches „Vorsorgeprinzip" gerückt, ein Primat, das sich bereits bei der Verteufelung der grünen Gentechnik bestens bewährt hat, auch wenn es ins Absurde gedreht wurde. Solange nicht eindeutig bewiesen sei, dass ein Stoff oder eine Methode zu 100 Prozent ungefährlich ist, dürfe nichts davon angewendet werden. Eine uneinlösbare Bedingung, da niemand in die Zukunft blicken kann. Dennoch ordneten Kommunalparlamente, die sich durch vorauseilenden Gehorsam auszeichnen wollten, an, dass auf den öffentlichen Flächen kein Unkraut mehr mit Glyphosat-haltigen Chemikalien bekämpft werden dürfe. Geschäftsführer von Garten- und Baumärkten, die Angst vor einem „Shitstorm" bei Twitter und Facebook oder vor Boykottaufrufen haben, nahmen die entsprechenden Mittel aus dem Sortiment, als würde allein schon ihr Anblick Krebs auslösen.
Das Vorsorgeprinzip wird in unhaltbarer Weise missbraucht
Das Vorsorgeprinzip, so wie es in dieser Diskussion ausgelegt wird, ist wissenschaftlich unhaltbar. Umso erstaunlicher ist es, dass Bundesumweltministerin Barbara Hendricks es sich vollkommen unreflektiert zu eigen machte, um das Nein zu Glyphosat aller SPD-Kollegen in der Regierung zu rechtfertigen. Kein Forscher würde eine hundertprozentige Gefahrlosigkeit eines Stoffes postulieren. Alles, was er leisten kann, sind Risikoabschätzungen, mit denen BfR, Efsa und nun auch das JMPR deshalb umgehen. Ansonsten könnte man das Prinzip des Abwägens aus der Politik eliminieren.Mit einem derart absolut gesetzten Vorsorgeprinzip ließe sich schließlich auch die gegenläufige Politik rechtfertigen: Wie können wir es verantworten, uns von der konventionellen Landwirtschaft zu verabschieden, so lange wir nicht hundertprozentig sicher sind, dass die Menschheit sich von flächendeckender Biolandwirtschaft zu ernähren vermag? Wer könnte heute mit hundertprozentiger Sicherheit ausschließen, dass bis zum Ende des Jahrhunderts klimatische Bedingen herrschen, bei denen die Menschheit ohne gentechnisch veränderte Pflanzen verhungert? Also: Weg mit dem Gentechnik-Verbot! Oder, rückblickend gesehen: War die Einführung des Kunstdüngers durch Justus von Liebig einst überhaupt zu verantworten? Oder hätte man, vor allem aus heutiger Sicht, darauf verzichten müssen und die wachsenden städtischen Massen ihrer oft tödlichen Unterernährung überlassen sollen, weil die Auswirkungen der Agrochemie noch nicht für alle Ewigkeit evaluiert waren? Wohlweißlich arbeitet die Wissenschaft nicht mit absoluten Wahrheiten sondern mit Wahrscheinlichkeiten.
Alles andere würde nur auf Lähmungen hinauslaufen, würde Abwägungen aller Art unmöglich machen. Aus denen auch die hohe Schule der Politik besteht. Und der möglichst sparsame, schonende und kostenbewusste Umgang mit Glyphosat, zum Gewinn von Mensch und Natur.
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