Dienstag, 23. Februar 2016

Jetzt mit deutscher Illusionsnummer: Das große Integrationsquiz

Im Kielwasser von „Köln“ gibt es teils durchaus kreative Lösungsansätze für die negativen Begleiterscheinungen weitgehend männlicher Einwanderung aus sicheren Drittstaaten in die Kriminalitätsstatistik. Neben der an Frauen gerichteten - und auch international Schlagzeilen produzierenden - Empfehlung der Kölner Oberbürgermeisterin, einfach einen Arm Abstand zu potentiellen Vergewaltigern zu halten, hat die Bundeskanzlerin unlängst zur „Bekämpfung von Fluchtursachen“ aufgerufen. Ob sie zu den Fluchtursachen beispielsweise auch die sicheren, demokratischen Verhältnisse im immer wohlhabender werdenden Senegal zählt, wie es das amerikanische Wall Street Journal letztes Jahr getan hat, wäre herauszufinden, wenn die deutschen Medien ihrer Berufung nachkämen und der Kanzlerin kritische Fragen stellten.

Julia Klöckner allerdings, die ebenfalls der vermerkelten CDU angehört, ist weniger einfallsreich - vielleicht auch wenig hilfreich - vorgeprescht mit ihrer Forderung nach einer Integrationspflicht von Zugereisten aus integrationsbedürftigen Kulturkreisen. Unkreativ ist ihr Vorschlag deswegen, weil er lediglich die Steigerung eines bereits lange etablierten Prinzips ist, welches im Deutschland des Jahres 6 nach Sarrazin den einzigen Fortschritt in der Debatte um die Probleme des real existierenden Multikulturalismus darstellt, nämlich das Eingeständnis aller Parteien, dass „Integration“ nicht nur theoretisch wünschenswert, sondern praktisch geeignet ist, um sämtliche Probleme der jetzigen und zukünftigen Parallel- und Gegengesellschaften zu lösen. Dass diese Probleme bereits vor Merkels Entscheidung, ganze Völker nach Deutschland einzuladen, existierten, scheint ihrem Optimismus keinen Abbruch zu tun. Es ist wie damals: Die Welt zu Gast bei Freunden. Sie wissen schon.
Der Erfolg der Integrationsrhetorik deutscher Politiker kann nur schwer bezweifelt werden. Sie ist schließlich auch ideal geeignet, um den mäßig informierten und vermutlich durch Erwerbstätigkeit belasteten Wähler einzulullen, indem ihm vorgespielt wird, dass sämtliche Probleme, die mit Zugereisten aus bestimmten Kulturkreisen assoziiert werden - von Köln bis Neukölln sozusagen - sich in Luft auflösen werden, sobald von der Politik das Prinzip der „Integration“ in die Realität herabgeseilt bzw. par ordre de Mutti dekretiert wird. Der durchschlagende Erfolg dieses Paradigmas ist allenthalben vernehmbar, etwa wenn die frauenpolitische Sprecherin der GRÜNEN im Bundestag, Ulle Schauws, mit den Worten zitiert wird, die Sexattacken in Köln hätten auch mit „verpasster Integration“ zu tun.

Währenddessen empfiehlt der hessische Scherzkeks Thorsten Schäfer-Gümbel von der SPD seinem CSU-Kollegen Andreas Scheuer „dringend einen Integrationskurs“ zu besuchen „um etwas über unser Grundgesetz zu erfahren“. Die Autorin und Moderatorin Amelie Fried hat noch konkretere Vorstellungen: „Wenn wir es schaffen, diese Menschen gut in unser Land zu integrieren, [werden wir] eines Tages mehr von ihnen [zurückbekommen], als wir ihnen jemals gegeben haben.“ Zumindest was das Geben betrifft ist ihr Andrea Nahles ein paar Schritte voraus. Sie fordert für ihr Ressort 500 Millionen zusätzliche Euro, um dem Ansturm Herr zu werden. Sie kommentiert das so: „Zum Nulltarif können wir die Flüchtlinge nicht integrieren.“ Tja, so ist das halt.

Integration ist das mittlerweile bewährte, säkulare Heilsversprechen eines durch den demographischen Fleischwolf gedrehten Deutschlands. Macht euch keine Sorgen um die Neuen, beschwört uns die politische Klasse, die werden sich alle integrieren! Wir müssen nur genug Geld dazu bereitstelle - ich meinte natürlich: investieren! Denn wir kriegen das ja alles tausendfach wieder zurück!
Fragwürdig bleibt, ob die Neuen überhaupt Anlass dazu haben, sich integrieren zu wollen. Die meisten unserer Politiker sind unkritisch dem Glauben verfallen, dass sämtliche Individuen in den zivilisatorisch weniger kompetenten Weltteilen den westlichen Lebensstil imitieren wollen und, da das in den Heimatländern offenbar nicht immer möglich ist, deshalb in westliche Länder strömen. Es muss zunächst offen bleiben, ob nicht ein ganz anderes Phänomen für die Migrationswellen verantwortlich ist, etwa die Möglichkeit, in Ländern wie Deutschland von Freiheit und Wohlstand zu profitieren, ohne dabei die eigene Lebensweise ändern zu müssen, während die des Westens gleichsam weiterhin ungestört verachtet werden kann. Aber dazu später mehr.

An dieser Stelle muss der Autor nämlich zunächst eingestehen, dass er die als eierlegende Wollmilchsau angepriesene „Integration“ der Neuankommenden für weitgehend illusorisch hält. Verantwortlich hierfür sind vier Hindernisse: Erstens, die Umdeutung des Integrationsbegriffs im politischen Diskurs, zweitens, der Abbau von Integrationsnotwendigkeiten, drittens, die quantitativen, und schließlich, viertens, die qualitativen Bedingungen der vorgeschlagen Integration.
Die Umdeutung des Integrationsbegriffs hat ihren Ursprung in den medial nicht vollständig totschweigbaren sozialen, kulturellen, und politischen Problemen, die in Deutschland durch die Zuwanderung der Vergangenheit entstanden sind und durch nicht hinreichend konformistische Querdenker, von Thilo Sarrazin bis Güner Balci, thematisiert wurden. Dem öffentlichen Zuspruch, den diese alarmistischen Stimmen erhalten, zuweilen untermauert durch millionenschwere Buchauflagen, konnte sich die deutsche politische Klasse damals wie heute nur schwer entziehen. Dementsprechend hat man sich quasi überparteilich geeinigt, die Probleme würden dadurch in Ordnung kommen, dass eine irgendwie geartete „Integration“ stattfinden werde. Womit man freilich zu einem neuen Problem gelangt, nämlich der Frage, wie dieser Integrationsbegriff zu definieren, und wer für dessen praktische Umsetzung verantwortlich ist.

Das unbescholtene deutsche Bürgertum, das sich für Zukunftsfragen in der Regel interessiert, glaubt unter dem Integrationsbegriff zu verstehen, dass Eingewanderte sich in die Mehrheitsgesellschaft integrieren sollten. Streng genommen handelt es sich bei diesem so verstandenen Prozess um Assimilation, also, noch strenger genommen, um eine von den Immigranten zu erbringende Imitation und Absorption der „Werte“ der Autochthonen. Dummerweise teilen Deutschlands Politiker diese Definition der von ihnen repräsentierten Bürger nicht unbedingt. Vielmehr wird sie gerne auf den Kopf gestellt, indem dem deutschen Staat, als Spiegelbild der Gesellschaft, die Verantwortung zugeschrieben wird, die Integration von Migranten dadurch besorgen zu müssen, dass er ihre aus den Herkunftsländern mitgebrachten Gepflogenheiten möglichst kulant akkommodiert.

So berichteten die Stuttgarter Nachrichten vor knapp zwei Jahren über die mit Rücksicht auf die muslimische Bevölkerung beschlossene Aufhebung der Sargpflicht in Baden-Württemberg. Da dieser Beschluss rhetorisch in den Dienst der umdefinierten und staatlich zu besorgenden „Integration“ gestellt werden konnte, herrschte „seltene Eintracht im Landtag“, waren sich doch „alle Fraktionen […] einig“. Konsequenterweise „lobten alle Redner das Papier als Meilenstein für die Integration“, während der SPD-Abgeordnete Thomas Reusch-Frey mit der folgenden, bemerkenswerten Sprechblase punkten konnte: „Integration darf nicht mit dem Tod enden.“
Nun habe ich prinzipiell nichts gegen die Aufhebung der Sargpflicht. Allerdings wäre es schön, wenn mir das Ganze nicht als Maßnahme zur Integration verkauft würde, sondern als das was es ist: ein staatlicher Anpassungsakt. Wer integriert sich hier eigentlich? Und in was? Durch die Umdeutung des Integrationsbegriffs wird echte Integration unmöglich gemacht. Das Resultat ist eine Einbahnstraßenintegration, besorgt durch einen Staat mit Tunnelblick. Das jüngste Beispiel dieses Objekt und Subjekt vertauschenden Integrationsprojekts liefert uns der Hamburger Professor Thomas Strothotte mit dem Vorschlag, in deutschen Schulen neben Deutsch auch Arabisch als Unterrichtssprache bis zum Abitur zwangsweise einzuführen. Der Wille zur totalen Integration, nur eben andersherum.

Damit wären wir beim zweiten Hindernis angelangt, dem Fehlen von Integrationsnotwendigkeiten. Dass diese einen positiven Effekt auf die Integration von Immigranten haben könnten, ist vielen Politikern sicherlich ein Dorn im Auge, zumindest insofern als deren ideologische Überzeugungen im Überwinden sämtlicher menschlicher Notwendigkeiten durch einen hemmungslos-aktivistischen Staat bestehen. Jedenfalls steht festzuhalten, dass die erfolgreichste Integrationsmaschine der Weltgeschichte, die Vereinigten Staaten von Amerika, ihre Einwanderer immer desto besser integrieren konnten, je weniger der Staat für sie tat, je größer die schiere Notwendigkeit des individuellen Erbringens von Integration war.

Ein schönes Beispiel für diese erfolgreichste aller Integrationsstrategien ist ein Brief aus dem Jahre 1819 von John Quincy Adams, damals amerikanischer Außenminister und späterer Präsident, an einen Bürokraten aus Deutschland, der sich mit dem Ansinnen, nach Amerika auszuwandern, an Adams gerichtet hatte und mit diesem Ansinnen unverschämterweise die Forderung verband, man möge ihm von Seiten des amerikanischen Staats doch bitte eine Anstellung anbieten. Adams‘ Antwort, welche die amerikanische Nachrichtenseite Federalist ausgegraben hat, hat es in sich: „Die amerikanische Regierung hat nie Maßnahmen ergriffen, um Emigranten aus Europa zu ermutigen oder einzuladen. Sie hat nie dazu angestiftet, Bürger anderer Staaten anzuregen, ihrem Land den Rücken zu kehren und Bewohner dieses Landes zu werden. […] Weder die Regierung des Bundes, noch jene der einzelnen Staaten, sind unkundig bezüglich des Zusatzes an Stärke und Wohlstand, der unserer Nation dank der Aufnahme einer Masse von gesunden, fleißigen, und frugalen Arbeitern zuteil wird. Bewusst sind wir uns auch der großen Vorteile, welche diesem Land widerfuhren, und weiterhin widerfahren, aufgrund der Einwanderung solcher Adoptivkinder aus Deutschland.“

„Aber es gibt ein Prinzip, das alle Institutionen dieses Landes durchsetzt, und das immer als Hindernis für die Vergabe von Privilegien an Neuankommende wirken wird. Dies ist ein Land nicht der Privilegien, sondern gleicher Rechte. Privilegien werden von europäischen Monarchen an bestimmte Klassen von Individuen vergeben […] aber die allgemeine Wahrnehmung hier ist, dass Privilegien, verliehen an eine Gruppe, nur schwer unterschieden werden können von der Erosion der Rechte anderer.“
„Emigranten aus Deutschland, oder anderswo, sollten daher, wenn sie hierher kommen, keine Gefälligkeiten von den Regierungen erwarten. Sie können erwarten, wenn sie Staatsbürger werden, die gleichen Rechte zu genießen wie hier Geborene. […] Sie kommen in ein Leben in Unabhängigkeit, aber auch ein Leben der Arbeit - und, wenn sie sich an den moralischen, politischen, und physischen Charakter dieses Land nicht anpassen können, mit all seinen sich ausgleichenden Stärken und Schwächen, dann steht ihnen immer der Atlantik offen, um in das Land ihrer Geburt und ihrer Väter zurückzukehren. Um eine Sache sollten sie sich Gedanken machen, wenn sie in Amerika ihr Glück zu finden versuchen. Sie müssen ihre europäische Haut abstreifen, für immer. Sie müssen nach vorne in die Zukunft schauen, und nicht zurück zu ihren Vorfahren.“

Es ist genau Adams‘ laissez-faire-Ansatz zum Thema Integration, der - schwanger mit unangenehmen Notwendigkeiten — aus den Vereinigten Staaten den weltbekannten Schmelztiegel gemacht hat. Und wenn wir in den letzten Jahrzehnten eine stärkere Balkanisierung der USA beobachten konnten, so ist das - wenn auch nicht ausschließlich - darauf zurückzuführen, dass die amerikanische Bundesregierung seit den 60er Jahren großzügige Wohlfahrtsprogramme aufgesetzt hat, die denen der europäischen Sozialstaaten nicht unähnlich sind. Je mehr Geld vom Staat kommt, desto weniger notwendig wird die Integration, insbesondere in den Arbeitsmarkt, wo die Landessprache oft gut zu erlernen ist - nicht zuletzt deshalb, weil sie notwendigerweise erlernt werden muss.

Zuviel staatliche Zuwendung wäre schon in der Zeit John Quincy Adams‘ problematisch für die Integration gewesen. Heute sieht die Sache noch schlimmer aus, denn durch Internet, Satellitenfernsehen, und mobil-globale Kommunikation ist es möglich geworden, in einer westlichen Gesellschaft zu leben, ohne ihr anzugehören, von Wohlstand und Freiheit zu profitieren, ohne zu partizipieren, den Schutz der staatlichen Ordnung zu genießen, ohne einen Beitrag zu ihrer Aufrechterhaltung zu leisten. Bestärkt werden solche Tendenzen freilich noch, wenn die als Enklaven zu bezeichnenden Parallel- und Gegengesellschaften durch noch weitere Zuwanderung vergrößert werden, womit dann sämtliche Integrationsnotwendigkeit unwiederbringlich weggefallen ist, da nun auch die Interaktion im eigenen Stadtviertel keine linguistische Herausforderung mehr darstellt - von „Werten“ ganz zu schweigen.
Womit wir beim dritten Integrationshindernis angelangt wären, dem quantitativen Faktor. Bereits vor der merkelschen Masseneinwanderung über die Asylgesetzgebung seit 2015 hat es in Deutschland, insbesondere in Großstädten, Schulklassen mit nur wenigen, oder oft auch gar keinen, „biodeutschen“ Schülern gegeben. Wie wird es aussehen, wenn die neuen Zuwanderer per Familiennachzug ihre Frauen und Kinder - oder wer auch immer von den Behörden als solche anerkannt wird - nach Deutschland holen? In der Abwesenheit von Integrationskatalysatoren, also Muttersprachlern und Trägern westlicher Zivilisation, wird es das deutsche Schulsystem schwer haben, dem neuen „Nachwuchs“ deutsche Sprache und europäische Kultur nahezubringen - auch hier: von „Werten“ ganz zu schweigen.
Was die Zahlen betrifft, sollte man auch das relative Verhältnis von Männern zu Frauen in den ankommenden Migrationswellen nicht außen vor lassen, schließlich hat ein Männerüberschuss - insbesondere ein Jungmännerüberschuss - negative Auswirkungen auf den sozialen Frieden und auf die Sicherheit von Frauen. Wer sich in der australischen Presse schlau macht (und das muss man heute offenbar), der weiß, dass Deutschlands „young adult“ Kohorte bereits jetzt auf eine „gender imbalance“ von 114 Männern zu 100 Frauen geschätzt wird (während in Schweden auf 100 Mädchen 123 Jungen kommen). Falls Sie sich fragen sollten, warum sie solche interessanten Fakten nie von den deutschen Medien erfahren, verweise ich Sie hiermit auf ein frisches Zitat von Peter Sloterdijk: „Der Lügenäther ist so dicht wie seit den Tagen des Kalten Krieges nicht mehr.“

Es ist vollkommen unabsehbar, wann genau ein Punkt erreicht ist, an dem die Zuwanderungszahlen schlicht zu groß sind, um Integration zu bewerkstelligen, wenn der deutsche Staat mit all seinen Muskeln nicht mehr Herr über die Massenmigration zu werden vermag. Über den Untergang Roms schrieb unlängst der Historiker Alexander Demandt: „Man liest von Dekadenz, von einer im Wohlstand bequem gewordenen Gesellschaft, die das süße Leben des Einzelnen erstrebte, aber den vitalen und aktiven Germanenhorden nichts entgegenzusetzen hatte, als diese, von der Not getrieben, über die Grenze strömten. Überschaubare Zahlen von Zuwanderern ließen sich integrieren. Sobald diese eine kritische Menge überschritten und als eigenständige handlungsfähige Gruppen organisiert waren, verschob sich das Machtgefüge, die alte Ordnung löste sich auf.“
Befände sich in jeder deutschen Schulklasse nur ein einziges Zuwandererkind, müsste man sich um Integration keine Sorgen machen. Sie würde sich aus reiner Notwendigkeit, quasi aus quantitativer „Alternativlosigkeit“ einstellen. Doch zwei Faktoren stehen dem im Wege. Erstens bevorzugen Zuwanderer aus nachvollziehbaren Gründen das Leben in der Großstadt, in der es normalerweise schon eine etablierte Gemeinschaft von Landsleuten gibt. In solchen Gegenden kommt es dann dazu, dass Schüler der öffentlichen Schulen mehrheitlich Einwandererkindern sind. Zweitens versteht es das hippe, biodeutsche Milieu, aus gleichsam nachvollziehbaren Gründen, ihre Kinder von „Problemschulen“ im Kiez abzuziehen und auf besseren, notfalls auch privaten, Schulen unterzubringen. Wer den deutschen Zukunftsausblick des Autors dieser Zeilen gelesen hat, wird verstehen, warum es in Deutschland demnächst zu einem Boom im Gewerbe der Privatschulen kommen könnte - entsprechende Investitionen seien hiermit wärmstens empfohlen.

Schließlich sind wir beim letzten Integrationshindernis angelangt, den qualitativen Bedingungen erfolgreicher Integration. Das Problem lässt sich nicht leicht mit Fakten oder Zahlen erklären, es handelt sich letztendlich um das zivilisatorische Selbstbewusstsein der Aufnahmegesellschaft. Eine Nation, die Fremden Integration abverlangen möchte, muss sich selbst als integrationswürdig betrachten und  achten. Nur wer selbst an der Überlegenheit der eigenen Lebensweise keine Zweifel hegt, kann auch im Auge des Fremden zu einem berechtigten Modell für Imitation und Integration werden.

Ein gutes Beispiel für den zivilisatorischen Selbsthass, der Integration in Europa so schwierig macht, ist der stets für allerlei politische und kulturelle Defizite in nicht-europäischen Ländern Verständnis aufbringende Jürgen Todenhöfer. Indem er quasi sämtliche Verfehlungen, die auf diesem Erdbal - aber insbesondere in der islamischen Welt - anzutreffen sind, dem vergangenen oder gegenwärtigen Einfluss westlicher Länder zuschreibt, entlässt er die Träger der entsprechenden Zivilisationen aus der Verantwortung für Verfehlungen, die oft strukturell-kultureller Natur sind. Wie kann sich ein in Deutschland ankommender syrischer Flüchtling zur Integration aufgefordert fühlen, wenn ein Todenhöfer ihm mit sanfter Stimme erzählt, mit seiner Kultur sei alles vollkommen in Ordnung, der Krieg in seinem Heimatland sei von Israel oder den USA angezettelt, und der Westen sei überhaupt eine ziemlich üble Verschwörung gegen alles Gute und Reine in der Welt? Die Überlegenheit der kulturellen und politischen Prinzipien der westlichen Zivilisation leugnend, machen Deutsche wie Jürgen Todenhöfer eine Farce aus der - wohl auch von ihnen? - angestrebten „Integration“. Ob sie sich gegenüber der arabischen Welt dem „weichen Rassismus niedriger Erwartungen“ schuldig machen, muss zunächst offen bleiben.

Viele Leser werden sich an dieser Stelle fragen: „Zivilisatorische Überlegenheit? Ist das nicht ziemlich Nazi?“ Dem muss ich entgegenhalten, dass zivilisatorische Errungenschaften keine subjektiven „Werte“ sind, sondern objektiv messbare Verbesserungen des Wohlergehens des Menschen im Einklang mit seiner Natur. Ob es sich um Toleranz gegenüber Pluralismus und Meinungsfreiheit, Eigentumsrechte, die Emanzipation der Frau, oder um medizinische Versorgung handelt - überall hat der Westen die Nase vorn. Aus diesem Grund möchten viele Nigerianer gerne in Norwegen leben, aber nicht viele Norweger in Nigeria.
Zudem ist festzuhalten, dass zivilisatorisches Selbstbewusstsein - als gesunder Mittelpunkt zwischen dem zivilisatorischen Sadismus der Nationalsozialisten und dem zivilisatorischen Masochismus des grün-postmodernen Milieus — den natürlichen Zustand einer Nation darstellt. Wenn man nicht an die Richtigkeit der eigenen Lebensweise glaubt, warum übt man sie dann aus? Warum nicht in die Ferne schweifen und chinesischen Konformismus oder arabischen Fanatismus adoptieren? Warum „dient“ Claudia Roth noch im Bundestag, wenn sie sich längst im Iran von der Revolutionsgarde malträtieren lassen könnte?
Nein, wer Integration einfordert muss seine eigene Kultur auch selbstbewusst vertreten. Wenn der oben zitierte John Quincy Adams von Deutschen Einwandern forderte, sie sollen „ihre europäische Haut abstreifen“, so stand der Mann auf einem soliden Fundament aus Zuversicht und kulturellem Selbstvertrauen. Aber können Sie sich vorstellen, dass Claudia Roth - oder meinethalben auch Angela Merkel - einen anerkannten Asylbewerber aus Syrien beschwört, er möchte doch bitte seine „arabische Haut abstreifen“?

Sie kennen die Antwort. Ich derweil kann meinen deutschen Landsleuten nicht das Recht absprechen, ihre eigene Zivilisation zu verachten. Nur muss ich darauf bestehen, dass sie dann auf keinen Fall der Illusion verfallen sollten, sie könnten je ein „Einwanderungsland“ sein, ohne dabei das preiszugeben, was zu verachten sie so stolz macht.


Moritz Mücke studiert Politik an der Graduiertenschule des Hillsdale College in Michigan. 2015 ist er ein Publius Fellow am Claremont Institute.

Quelle: http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/jetzt_mit_deutscher_illusionsnummer_das_grosse_integrationsquiz

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