Frankreich will nicht mehr. Die Skandinavier sperren sich. Die Briten sowieso. Und im Osten der Europäischen Union wollen Polen, Tschechen, Ungarn und die Slowaken ihre Grenzen gegen die Migranten aus Nahost abriegeln. Sie sperren die Balkanroute zu, ohne Angela Merkel oder Martin Schulz um Erlaubnis zu fragen. Was ist da nur los!
Eigentlich ist die Sache ganz einfach: Die Risse im Mauerwerk des europäischen Hauses, die immer sichtbarer werden, zeigen einen Konstruktionsfehler, den die Architekten schon beim Bau dieses Hauses gemacht haben: Sie haben sich die These zurechtgebastelt, Europa könne eine immer größere und gleichzeitig eine immer engere Union werden.
Mit ungläubigem Staunen stellen die Bauherren nun fest: Wir Europäer sind unterschiedlich und wollen Unterschiedliches. Je mehr wir sind, desto unterschiedlicher sind wir und desto Unterschiedlicheres wollen wir. Und wenn man uns nicht lässt, treiben wir, bockig wie wir sind, erst recht auseinander. Ein Traum droht zu platzen, der jeder Alltagserfahrung widerspricht. Es kann doch nur eines von beiden geben: entweder immer größer oder immer enger.
Zwei große Stress-Tests konfrontieren Europa mit dieser lange verdrängten Wahrheit.
Wir haben ja nicht nur die Migrantenkrise. Die Schuldenkrise des Euro ist nur vorübergehend aus den Schlagzeilen verdrängt worden. Schon meldet sie sich wieder. Auch sie hat ihre Ursache in der Illusion, ein immer größeres und immer engeres Europa lasse sich zurechtbiegen. Aber wie soll eine Währung, die Preußen und Griechen zusammenpfercht, auf Dauer funktionieren? Ein Euro des wohlhabenden Nordwestens – das hätte gehen können. Eine gemeinsame Währung der Südländer, die arm aber sexy sind, wär auch eine Möglichkeit. Euro 1 und Euro 2 wäre nicht so blöd wie es klingt. Aber zusammengezwungen kann man nicht glücklich werden.
Scheitert Europa, wenn der Euro scheitert? Wieso denn? Europa lebt doch längst mit und ohne Euro. EU-Länder außerhalb des Euros, Briten und Skandinavier, haben sogar eine Sorge weniger. Die nicht bewältigte Schuldenkrise des Euro zeigt lediglich, dass finanzpolitisch auseinander driftet, was nicht zusammengehört.
Und wie sieht es mit den Migranten und den Grenzen aus? Scheitert Europa, wenn Schengen scheitert? Wieso das denn! Es gibt längst ein Europa mit und ohne Schengen. Die Briten haben nie aufgehört, die Pässe der Deutschen und Franzosen zu kontrollieren. Und in der Praxis ist Schengen längst aufgegeben. Die täglichen Staumeldungen von den Grenzübergängen führen uns zurück in die Zukunft. Der Verkehr hat sich früher gestaut und jetzt staut er sich wieder. Dankeschön, liebe Migranten. Die goldenen Jahre der freien Fahrt sind vorbei.
Auch für die neuen Staus ist die Illusion vom immer größeren und immer engeren Familienverbund verantwortlich. So schön es ist, die Grenzen zu öffnen, so weltfremd ist es, zu glauben, dass die Griechen und die Italiener Europas Außengrenzen mit dem Feuereifer deutscher Unteroffiziere kontrollieren. Sie mögen nicht und sie können nicht.
Und wenn Menschenmassen aus Nahost und Nordafrika angespült werden, wird die Sache geradezu unmoralisch. Wer hat denn zuerst vergessen, dass wir alle eine große Familie sein sollen? Die satten Binnenstaaten waren es, als sie in Dublin beschlossen, den Ärmeren am Rand des Kontinents die unangenehmste Flüchtlingsarbeit zu überlassen. Das war der erste Abschied vom schönen Familiensinn. Was jetzt geschieht, ist nur das zweite Kapitel des Auseinanderlebens.
Und dann zu glauben, dass alle Europäer in der Migrantenfrage die deutsche Wiedergutmachungsmoral teilen! Auch das ist eine Illusion der Kategorie „immer größer und immer enger“. Die ungarische Klage über einen moralischen Imperialismus der Deutschen ist nicht so abwegig wie sie klingt. Deutscher Rigorismus ist das allemal. Und je mehr Länder in der Union sind, desto deutlicher wird die Gegenwehr.
Es ist wie es ist: Der Süden ist anders als der Norden, der Osten anders als der Westen. Deutsch sind nur die Deutschen, und das ist gut so. Die Union, die immer größer geworden ist, ist auch immer unterschiedlicher geworden. Dass die Unterschiede verdrängt werden, ist Sprengstoff für Europa.
Für die Lösung des Problems gibt es seit vielen Jahren eine Idee und einen Fachausdruck: das Europa der zwei Geschwindigkeiten. Man könnte auch sagen: ein Europa der zwei oder drei Mentalitäten. Zwei oder drei Geschwindigkeiten hält diese mental so unterschiedliche Union wunderbar aus. Die machen sie sogar stärker. Dass es stellenweise sowas schon gibt, ist ein Glück für die Union.
Die Brüsseler Zentralisten aber wollen das nicht. Dass sie den Zentralismus der immer engeren Union und damit ihre eigene exklusive Machtposition nicht aufgeben wollen, liegt auf der Hand.
Die großen Stress-Tests dieser Tage aber tun die Arbeit, die die Brüsseler (und die Berliner) nicht tun wollen. Das unkonrtollierte Auseinanderdriften in der Geldpolitik und in der Migrantenpolitik ist eine politische Naturgewalt, gegen die sich selbst Martin Schulz vergebens stemmt. Eine kontrollierte Auflockerung wäre vernünftiger. Gibt's aber (noch?) nicht.
Nicht ein engeres sondern ein gelockertes Europa ist die Rettung dieser Union. Ein solches Europa lässt zu, dass die Länder im Osten der Gemeinschaft etwas anders denken und handeln als Berlin oder Paris. Ein solches Europa würde auch die Briten in diesem Klub halten, was für alle gut wäre.
In einem solchen gelockerten Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Mentalitäten bliebe auch Angela Merkel eine anerkannte Führungsfigur, wenn auch mit beschränkter Haftung. So aber wird sie einsam und schwächer, nicht stärker.
Quelle: http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/unglaublich_wir_europaeer_sind_unterschiedlich
Eigentlich ist die Sache ganz einfach: Die Risse im Mauerwerk des europäischen Hauses, die immer sichtbarer werden, zeigen einen Konstruktionsfehler, den die Architekten schon beim Bau dieses Hauses gemacht haben: Sie haben sich die These zurechtgebastelt, Europa könne eine immer größere und gleichzeitig eine immer engere Union werden.
Mit ungläubigem Staunen stellen die Bauherren nun fest: Wir Europäer sind unterschiedlich und wollen Unterschiedliches. Je mehr wir sind, desto unterschiedlicher sind wir und desto Unterschiedlicheres wollen wir. Und wenn man uns nicht lässt, treiben wir, bockig wie wir sind, erst recht auseinander. Ein Traum droht zu platzen, der jeder Alltagserfahrung widerspricht. Es kann doch nur eines von beiden geben: entweder immer größer oder immer enger.
Zwei große Stress-Tests konfrontieren Europa mit dieser lange verdrängten Wahrheit.
Wir haben ja nicht nur die Migrantenkrise. Die Schuldenkrise des Euro ist nur vorübergehend aus den Schlagzeilen verdrängt worden. Schon meldet sie sich wieder. Auch sie hat ihre Ursache in der Illusion, ein immer größeres und immer engeres Europa lasse sich zurechtbiegen. Aber wie soll eine Währung, die Preußen und Griechen zusammenpfercht, auf Dauer funktionieren? Ein Euro des wohlhabenden Nordwestens – das hätte gehen können. Eine gemeinsame Währung der Südländer, die arm aber sexy sind, wär auch eine Möglichkeit. Euro 1 und Euro 2 wäre nicht so blöd wie es klingt. Aber zusammengezwungen kann man nicht glücklich werden.
Scheitert Europa, wenn der Euro scheitert? Wieso denn? Europa lebt doch längst mit und ohne Euro. EU-Länder außerhalb des Euros, Briten und Skandinavier, haben sogar eine Sorge weniger. Die nicht bewältigte Schuldenkrise des Euro zeigt lediglich, dass finanzpolitisch auseinander driftet, was nicht zusammengehört.
Und wie sieht es mit den Migranten und den Grenzen aus? Scheitert Europa, wenn Schengen scheitert? Wieso das denn! Es gibt längst ein Europa mit und ohne Schengen. Die Briten haben nie aufgehört, die Pässe der Deutschen und Franzosen zu kontrollieren. Und in der Praxis ist Schengen längst aufgegeben. Die täglichen Staumeldungen von den Grenzübergängen führen uns zurück in die Zukunft. Der Verkehr hat sich früher gestaut und jetzt staut er sich wieder. Dankeschön, liebe Migranten. Die goldenen Jahre der freien Fahrt sind vorbei.
Auch für die neuen Staus ist die Illusion vom immer größeren und immer engeren Familienverbund verantwortlich. So schön es ist, die Grenzen zu öffnen, so weltfremd ist es, zu glauben, dass die Griechen und die Italiener Europas Außengrenzen mit dem Feuereifer deutscher Unteroffiziere kontrollieren. Sie mögen nicht und sie können nicht.
Und wenn Menschenmassen aus Nahost und Nordafrika angespült werden, wird die Sache geradezu unmoralisch. Wer hat denn zuerst vergessen, dass wir alle eine große Familie sein sollen? Die satten Binnenstaaten waren es, als sie in Dublin beschlossen, den Ärmeren am Rand des Kontinents die unangenehmste Flüchtlingsarbeit zu überlassen. Das war der erste Abschied vom schönen Familiensinn. Was jetzt geschieht, ist nur das zweite Kapitel des Auseinanderlebens.
Und dann zu glauben, dass alle Europäer in der Migrantenfrage die deutsche Wiedergutmachungsmoral teilen! Auch das ist eine Illusion der Kategorie „immer größer und immer enger“. Die ungarische Klage über einen moralischen Imperialismus der Deutschen ist nicht so abwegig wie sie klingt. Deutscher Rigorismus ist das allemal. Und je mehr Länder in der Union sind, desto deutlicher wird die Gegenwehr.
Es ist wie es ist: Der Süden ist anders als der Norden, der Osten anders als der Westen. Deutsch sind nur die Deutschen, und das ist gut so. Die Union, die immer größer geworden ist, ist auch immer unterschiedlicher geworden. Dass die Unterschiede verdrängt werden, ist Sprengstoff für Europa.
Für die Lösung des Problems gibt es seit vielen Jahren eine Idee und einen Fachausdruck: das Europa der zwei Geschwindigkeiten. Man könnte auch sagen: ein Europa der zwei oder drei Mentalitäten. Zwei oder drei Geschwindigkeiten hält diese mental so unterschiedliche Union wunderbar aus. Die machen sie sogar stärker. Dass es stellenweise sowas schon gibt, ist ein Glück für die Union.
Die Brüsseler Zentralisten aber wollen das nicht. Dass sie den Zentralismus der immer engeren Union und damit ihre eigene exklusive Machtposition nicht aufgeben wollen, liegt auf der Hand.
Die großen Stress-Tests dieser Tage aber tun die Arbeit, die die Brüsseler (und die Berliner) nicht tun wollen. Das unkonrtollierte Auseinanderdriften in der Geldpolitik und in der Migrantenpolitik ist eine politische Naturgewalt, gegen die sich selbst Martin Schulz vergebens stemmt. Eine kontrollierte Auflockerung wäre vernünftiger. Gibt's aber (noch?) nicht.
Nicht ein engeres sondern ein gelockertes Europa ist die Rettung dieser Union. Ein solches Europa lässt zu, dass die Länder im Osten der Gemeinschaft etwas anders denken und handeln als Berlin oder Paris. Ein solches Europa würde auch die Briten in diesem Klub halten, was für alle gut wäre.
In einem solchen gelockerten Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Mentalitäten bliebe auch Angela Merkel eine anerkannte Führungsfigur, wenn auch mit beschränkter Haftung. So aber wird sie einsam und schwächer, nicht stärker.
Quelle: http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/unglaublich_wir_europaeer_sind_unterschiedlich
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