Montag, 22. Februar 2016

Zivilcourage und die ganze Härte der Gesetze

Wohl dem, der eine Oma hat. Meine Oma war lebensklug und drückte das in einer Unmenge von weisen Sprüchen aus. Die meisten davon haben sich bei mir dauerhaft eingebrannt und spuken munter in meinem Kopf umher. Einer davon war: „Trau keinem Pfaffen, keinem Rechtsverdreher und keinem Regierenden“. Meine Oma sagte geradeheraus, was sie meinte.

An diesen drastischen Spruch wurde ich erinnert, als ich feststellte, dass unsere Kanzlerin eine Pfarrerstochter und Politikerin ist und unser Bundespräsident ein Pfarrer und auch ein Politiker - so erfüllen sie beide zwei Kriterien meines Omaspruches. Zu den „Herausforderungen“, die uns diese beiden klerikal Regierenden aufnötigen, gehört auch ihre oftmals wiederholte Forderung nach „mehr Zivilcourage“.

Es gibt fast keinen Politiker mehr, der angesichts der um sich greifenden Gewalt nicht nach mehr Zivilcourage der Bürger ruft. Courage, aus dem Französischen „der Mut“ bedeutet nicht das Fehlen von Furcht, sondern das Handeln trotz dieser. Wie edel, wer könnte sich dem verschließen?

Schon 2010 forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) von den Bürgern mehr Zivilcourage und Wachsamkeit: "Wir brauchen wachsame Bürgerinnen und Bürger, und wir brauchen die richtigen Mittel zur Bekämpfung von Kriminalität. … Wir brauchen Polizistinnen und Polizisten, aber wir brauchen genauso Bürgerinnen und Bürger mit Zivilcourage. Lassen Sie uns alles dafür tun, damit unser Land noch sicherer wird. Siehe hier.

Dann 2012 folgt der frischgekürte Bundespräsident Joachim Gauck und fordert:  Vor dem Roten Rathaus brennen weiterhin die Kerzen zum Gedenken an das Opfer Johnny K., und auch drinnen im Großen Festsaal ist die Gewalttat von vergangener Woche an diesem Montagvormittag eines der bestimmenden Themen beim offiziellen Antrittsbesuch des neuen Bundespräsidenten beim Regierenden Bürgermeister. „Ich wünsche mir mehr bürgerschaftliches Engagement gegen Gewalt“, sagt Joachim Gauck vor rund 200 geladenen Gästen aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Bei Fällen wie dem aktuellen, in dem ein 20-Jähriger nur wenige Meter vom Rathaus entfernt totgeschlagen wurde „geht es um einschreiten“, sagt Gauck. Die Gesellschaft müsse „Strategien gegen Gewalt“ finden, die Menschen müssten „weiter Entschlossenheit zeigen, Gewalt nicht zu tolerieren“.

 Die Lage spitzt sich zu. Fordert doch 2015 auch Bundesjustizminister Heiko Maas (er erfüllt zwei Oma-Kriterien - er ist Anwalt und Politiker): „Angesichts einer steigenden Zahl von Angriffen auf Flüchtlingsheime rufe ich die Deutschen zu mehr Zivilcourage auf. Wir brauchen einen Aufstand der Anständigen“.
Er ruft auf, mit einem feinen Unterschied: Zivilcourage ja, aber nur gegen Fremdenfeindlichkeit. So viel Zeit muss sein. Und die Unanständigen müssen sitzen bleiben.

Wer nicht das Glück hatte, mit weisen Omasprüchen aufzuwachsen, könnte nun auf die Idee kommen, dass es die Regierenden ernst meinten mit ihren Aufforderungen zur Zivilcourage. Er könnte versucht sein, den „Herausforderungen“ gerecht zu werden. Wehe ihm, er hätte den Falschen vertraut. Und es könnte passieren, dass er die Welt nicht mehr versteht.
Ein paar Illustrationen zu meiner steilen These:

Uwe W. muss 600 Strafe zahlen, weil er sich in der U-Bahn-Station für zwei von einem Mann bedrängte Frauen eingesetzt hat. In der Nacht zum 10. November sitzt Uwe W. im U-Bahnhof Implerstraße. Zwei Frauen werden von einem Mann verfolgt. Der Mann schlägt mit einer Bierflasche einer Frau gegen die Schläfe. Die 48-Jährige sinkt zu Boden. … Der Schläger will sich aus dem Staub machen, aber Uwe W. hält ihn fest. Im Gerangel schlägt der Täter mit einer Faust gegen die Brust von Uwe W. In der anderen Hand hat er noch die Bierflasche. Uwe W. gibt dem Schläger einen Schubs und dieser fällt auf die Gleise. Uwe W. kümmert sich um die niedergeschlagene Frau, ein anderer Mann zieht den Schläger aus den Gleisen heraus.

Ingrid Kaps, Pressesprecherin des Münchner Amtsgerichts erklärt: „Man kann auf den Videoaufnahmen erkennen, dass es nicht notwendig war, den Kläger auf die Gleise zu stoßen". Dafür muss Uwe W. nun wegen gefährlicher Körperverletzung 600 Euro Strafe zahlen. …  "40 Tagessätze sind für eine solche Tat recht wenig", erklärt die Pressesprecherin. Denn die Zivilcourage des Münchners sei als "sehr löblich" berücksichtigt worden. Aber Uwe W. ist nun vorbestraft.

Das Amtsgericht hat einen 22-jährigen Ludwigsburger zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt, weil dieser im Juni 2015 in der Ludwigsburger Innenstadt einen Menschen verletzt hat. Dass er dabei quasi in Notwehr handelte, ließ die Richterin unbeeindruckt, obwohl sogar die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer einen Freispruch gefordert hatte.

Der Helfer war Mitte Dezember sogar in Untersuchungshaft genommen worden. Vor dem Haftrichter hatte er betont, dass er nur eingeschritten sei, um Schlimmeres zu verhindern. „Auch er glaubte mir nicht.“ Der Helfer saß mehrere Wochen in Untersuchungshaft

Die Beweisaufnahme hat zweifelsfrei ergeben, dass der Angeklagte versucht hat, einem hilflosen Mann beizustehen, als dieser spätnachts von einer Gruppe stark alkoholisierter Jugendlicher attackiert wurde. Der Mann war vor der Gaststätte „Kanone“ niedergeschlagen und schwer verletzt worden. Während er auf dem Boden lag, wurde weiter getreten - woraufhin der Angeklagte einschritt, die Angreifer wegschubste und das Opfer aus der Gefahrenzone brachte. Bei dieser Aktion habe er um sich geschlagen und auch jemanden getroffen, erklärte er vor Gericht. „Aber das war nie meine Absicht. Ich wollte helfen und hatte Angst, dass der auf dem Boden stirbt, wenn die alle weiter auf ihn eintreten.“

Dem Angeklagten wurde zum Verhängnis, dass einer der Jugendlichen, die er bei seiner Rettungstat zur Seite gestoßen hat, dabei einen Kiefernbruch erlitt. Zahlreiche Zeugen stützen die Aussagen des Angeklagten. Auch das Opfer, der Mann aus Remseck, schilderte vor Gericht ausführlich, wie ihm der Angeklagte zur Hilfe geeilt sei. Die Staatsanwältin und die Verteidigerin kamen daher zu dem Ergebnis: Der 22-Jährige habe in einer Nothilfe-Situation gehandelt. Dass er dabei jemanden verletzte, sei nicht zu bestrafen.

Die Richterin kam zu einem anderen Schluss. Sie verurteilte den 22-Jährigen wegen fahrlässiger Körperverletzung zu drei Monaten und zwei Wochen Gefängnis auf Bewährung. Der Angeklagte ist somit vorbestraft, und es ist denkbar, dass er in einem Zivilprozess von den Tätern auf Schadensersatz verklagt wird. …
Das sind nur zwei Beispiele der beispiellosen alltäglichen Umkehr der Täter – Opfer – Beziehung vor deutschen Gerichten. Während die Täter kichernd den Gerichtssaal verlassen, finden sich Helfer auf der Anklagebank wieder.
Langsam wird klar, was Kanzlerin und Bundespräsident gemeint haben, als sie „mehr Zivilcourage“ von ihren deutschen Untertanen einforderten: nur nicht dem Täter eins auf die Mütze hauen. Das ist wie Waffengewalt an der Grenze, wie ein Schießbefehl an die Faust. Wenn man als Einzelner gegen aggressive Schläger antritt, gilt es millimetergenau abzuwägen - niemand darf deutlicher gehauen werden, als man selbst abbekommt. Verbalattacken gegen Fremde eskalieren die Situation und sind strafwürdig. Sich als Bürger zu wehren ist fast wie die Gründung einer Bürgerwehr.

Zivilcouragierte Helfer müssen gefälligst nach europäischen Lösungen der Krise suchen. Auch vor der Gaststätte Kanone in Ludwigsburg oder in der Münchener U-Bahnstation Implerstrasse. Auch bei Nacht und Nebel. Das sind sie eben, die neuen Herausforderungen: „es bleibt ein langer, schwerer Weg zu gehen“ (Merkel am 19.03.2015). Wer ihn gehen muss, hat sie nicht gesagt.

Dominik B., Johnny K., Tugçe A., Frank J., Joey K., Burkan I, … und das sind nur einige der ins Koma, zum Krüppel oder in den Tod Geschlagenen - wer erinnert sich noch an all die Namen?

Sie sind die Opfer der Zivilcourage im neuen bunten Deutschland.  Sie sind nicht nur Opfer von Unmenschen, sondern auch von Gutmenschen, die Zivilcourage fordern und dann die Couragierten im Stich lassen.

Noch so ein Spruch von meiner Oma klärt hier vieles auf: „Auf hoher See und vor Gericht bist du in Gottes Hand“. Die hohe See hatte sie nie gesehen. Der liebe Gott war sehr beschäftigt. Mit ihrem Spruch meinte meine Oma ausschließlich die korrupten Richter, mit denen sie ihre Erfahrung hatte.

Heute heißt der Spruch zu gut Deutsch: „Zivilcourage lohnt sich nicht“. Sie wird von den Pfaffen, Rechtsverdrehern und Regierenden gefordert aber nicht gefördert.

Quelle: http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/zivilcourage_und_die_ganzen_haerte_der_gesetze

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