…bleibt die Empörung ziemlich klein. Boris Palmer bekam lediglich in seiner Partei Druck. Oder hat im Oktober jemand gesagt, er setzt sich mit Grünen nicht mehr in eine Talksshow?
Die Äußerungen der beiden AfD-Politikerinnen Frauke Petry und Beatrix von Storch zum Thema Waffengewalt gegen Flüchtlinge wecken nicht zu Unrecht den Verdacht, dass führende Parteipolitiker am rechten Rand fischen wollen. Es stellt sich schon die Frage, was die beiden Damen ansonsten geritten haben könnte, angesichts bereits unerwartet hoher Umfragewerte für ihre Partei sich solche – betonten – Blößen gegenüber jenen zu geben, die eben nicht am rechten Rand anzusiedeln sind, sondern eher da, wo die Union vor Merkel stand, gegenüber der alte AfD sozusagen, jetzt Alfa.
Ihnen daraus allerdings Verfassungsfeindlichkeit vorzuwerfen, ist wiederum an Hysterie nicht zu überbieten, der die Blöße, die sich Petry und von Storch gegeben haben, am Wahltag bei der AfD mehr als wieder wett machen dürfte. Ansonsten nämlich müsste sofort das Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes (UZwG) für verfassungsfeindlich erklärt werden, in dem es nämlich heißt: „Die in § 9 Nr. 1, 2, 7 und 8 genannten Vollzugsbeamten können im Grenzdienst Schusswaffen auch gegen Personen gebrauchen, die sich der wiederholten Weisung, zu halten oder die Überprüfung ihrer Person oder der etwa mitgeführten Beförderungsmittel und Gegenstände zu dulden, durch die Flucht zu entziehen versuchen.“ (Siehe dazu auch diesen Achse-Blog)
Womöglich hat ja auch jener grüne Politiker, der erst im vergangenen Oktober etwas ziemlich ähnliches wie die beiden AfD-Köpfe sagte, genau an diesen Paragrafen gedacht: Boris Palmer, seines Zeichens Bürgermeister der grünen Vorzeigestadt Tübingen. Und zwar gleich zweimal, einmal gegenüber dem Südwestrundfunk und einmal gegenüber dem Schwäbischen Tagblatt.
Die Zeitung zitiert ihn aus einem Interview mit dem Blatt in indirekter Rede so: „Wie eine Obergrenze durchzusetzen ist, das sei Aufgabe der Bundesregierung und müsse die Mitteder Gesellschaft debattieren, sagt der Kommunalpolitiker. Dazu gehörten unstrittig die Verbesserung der Lage in den Flüchtlingslagern in der Türkei und im Nahen Osten, eine Befriedung Syriens und Flüchtlingskontingente. Der Grünen-Politiker plädiert darüber hinaus dafür, die EU-Außengrenzen zu schließen, notfalls bewaffnet.“
In einem Interview mit dem Südwestrundfunk SWR4 legte Palmer einen Tag später nach. „Es gibt eine Grenze über die zurzeit fast alle Flüchtlinge kommen, aus dem Nahen Osten: Das ist die griechische Grenze (….) Grenzsicherung in Griechenland werden die Griechen nicht selbst schaffen. Das wird nur eine europäische Grenzsicherungstruppe sein können. Und dass die in der Regel auch Waffen besitzen, das ist an fast jeder Grenze der Welt normal.“
Große Wellen, die mit der jetzigen Empörung auch nur zu vergleichen wäre, erntete Palmer nicht, bei den Grünen aber bekam er offenbar doch Druck, so dass er sich zu einer Reaktion genötigt sah, über die das Tagblatt wie folgt berichtete:
„Der parteiintern scharf kritisierte Tübinger OB Boris Palmer (Grüne) hat sich auf seinem Facebook-Profil für seine Wortwahl entschuldigt. Gegenüber dem “Schwäbischen Tagblatt” hatte er erklärt, dass, wer den Zugang an den EU-Außengrenzen kontrollieren will, dazu “bewaffnete Grenztruppen” brauche. „Ich habe aber einen Halbsatz verwendet, den viele jetzt so verstehen, als wollte ich einen Schießbefehl für Grenztruppen, um Flüchtlinge abzuwehren”, sagte der 43-Jährige. “Das ist ein Fehler, der mir unterlaufen ist.” Dieser habe zu einer “abstrusen Debatte” geführt und sei “von Pegida und AfD missbraucht” worden.“ Auch der SWR berichtete auf seiner Website über dieselbe Klarstellung Palmers.
Wie er das mit den „bewaffneten Truppen“, die man zur Grenzsicherung „brauche“, gemeint habe, darüber wurde die Öffentlichkeit in dem Zusammenhang nicht aufgeklärt. Dass man ihn falsch zitiert habe, behauptete er nicht. Warum Waffen? Nur als erklärte, automatisch nur leere Drohung? Ergäbe so etwas Sinn?
Die Vorstellung, dass auf Flüchtlinge geschossen wird, dürfte allen Beteiligten – und Unbeteiligten – sehr schwer fallen. Petry hat es auch gesagt, dass sie das nicht will, dass sie es als „Ultima Ratio“ ansieht, ungefähr das selbe wie Palmers „notfalls“. Man kann bei Petry natürlich sofort das Gegenteil hineininterpretieren. Ich tippe allerdings eher auf politisches Kalkül. Was einen anwidern mag. Die Lust am Töten ist etwas anderes.
Wenn wir schon beim Psychologisieren sind: Man könnte auch weiter gehen, und sagen, die AfD hätte nichts davon, wenn auf Flüchtlinge geschossen wird. Je mehr kommen, desto mehr Stimmen erhalten sie. Anders beim armen Oberbürgermeister Palmer. Der muss sehen, wie er das Problem mit den vielen Flüchtlingen löst, deshalb seine Forderung, die Zahlen zu begrenzen. Und, noch ein Planspiel: Ist sich wirklich jeder sicher, dass ein strammer SPD-Regierungschef in jeder denkbaren Situation davor gefeit wäre, das Gewaltmonopol an der Grenze auch bewaffnet durchzusetzen? Ich weiß nicht…
Denn eines sollten wir auch berücksichtigen: Es geht keineswegs um die heutige Situation, sondern um mögliche, womöglich auch irreale Szenarien. In heutige Flüchtlingsströme mit Maschinengewehern reinhalten zu wollen wird wohl keiner irgendjemand unterstellen. „Die AfD argumentiert in einem hypothetischen Angstraum“, schreibt der Tagesspiegel heute in einem sehr treffenden Kommentar. Er schließt mit dem klugen Satz: „Für den Schusswaffengebrauch setzt das Gesetz Verhältnismäßigkeit voraus. Die sollte man auch bei der Reaktion auf absurde Forderungen wahren.“
Zuerst erschienen auf Uli Kulkes Blog Donner und Doria hier.
Quelle: http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/wenn_gruene_waffen_an_den_grenzen_fordern
Die Äußerungen der beiden AfD-Politikerinnen Frauke Petry und Beatrix von Storch zum Thema Waffengewalt gegen Flüchtlinge wecken nicht zu Unrecht den Verdacht, dass führende Parteipolitiker am rechten Rand fischen wollen. Es stellt sich schon die Frage, was die beiden Damen ansonsten geritten haben könnte, angesichts bereits unerwartet hoher Umfragewerte für ihre Partei sich solche – betonten – Blößen gegenüber jenen zu geben, die eben nicht am rechten Rand anzusiedeln sind, sondern eher da, wo die Union vor Merkel stand, gegenüber der alte AfD sozusagen, jetzt Alfa.
Ihnen daraus allerdings Verfassungsfeindlichkeit vorzuwerfen, ist wiederum an Hysterie nicht zu überbieten, der die Blöße, die sich Petry und von Storch gegeben haben, am Wahltag bei der AfD mehr als wieder wett machen dürfte. Ansonsten nämlich müsste sofort das Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes (UZwG) für verfassungsfeindlich erklärt werden, in dem es nämlich heißt: „Die in § 9 Nr. 1, 2, 7 und 8 genannten Vollzugsbeamten können im Grenzdienst Schusswaffen auch gegen Personen gebrauchen, die sich der wiederholten Weisung, zu halten oder die Überprüfung ihrer Person oder der etwa mitgeführten Beförderungsmittel und Gegenstände zu dulden, durch die Flucht zu entziehen versuchen.“ (Siehe dazu auch diesen Achse-Blog)
Womöglich hat ja auch jener grüne Politiker, der erst im vergangenen Oktober etwas ziemlich ähnliches wie die beiden AfD-Köpfe sagte, genau an diesen Paragrafen gedacht: Boris Palmer, seines Zeichens Bürgermeister der grünen Vorzeigestadt Tübingen. Und zwar gleich zweimal, einmal gegenüber dem Südwestrundfunk und einmal gegenüber dem Schwäbischen Tagblatt.
Die Zeitung zitiert ihn aus einem Interview mit dem Blatt in indirekter Rede so: „Wie eine Obergrenze durchzusetzen ist, das sei Aufgabe der Bundesregierung und müsse die Mitteder Gesellschaft debattieren, sagt der Kommunalpolitiker. Dazu gehörten unstrittig die Verbesserung der Lage in den Flüchtlingslagern in der Türkei und im Nahen Osten, eine Befriedung Syriens und Flüchtlingskontingente. Der Grünen-Politiker plädiert darüber hinaus dafür, die EU-Außengrenzen zu schließen, notfalls bewaffnet.“
In einem Interview mit dem Südwestrundfunk SWR4 legte Palmer einen Tag später nach. „Es gibt eine Grenze über die zurzeit fast alle Flüchtlinge kommen, aus dem Nahen Osten: Das ist die griechische Grenze (….) Grenzsicherung in Griechenland werden die Griechen nicht selbst schaffen. Das wird nur eine europäische Grenzsicherungstruppe sein können. Und dass die in der Regel auch Waffen besitzen, das ist an fast jeder Grenze der Welt normal.“
Große Wellen, die mit der jetzigen Empörung auch nur zu vergleichen wäre, erntete Palmer nicht, bei den Grünen aber bekam er offenbar doch Druck, so dass er sich zu einer Reaktion genötigt sah, über die das Tagblatt wie folgt berichtete:
„Der parteiintern scharf kritisierte Tübinger OB Boris Palmer (Grüne) hat sich auf seinem Facebook-Profil für seine Wortwahl entschuldigt. Gegenüber dem “Schwäbischen Tagblatt” hatte er erklärt, dass, wer den Zugang an den EU-Außengrenzen kontrollieren will, dazu “bewaffnete Grenztruppen” brauche. „Ich habe aber einen Halbsatz verwendet, den viele jetzt so verstehen, als wollte ich einen Schießbefehl für Grenztruppen, um Flüchtlinge abzuwehren”, sagte der 43-Jährige. “Das ist ein Fehler, der mir unterlaufen ist.” Dieser habe zu einer “abstrusen Debatte” geführt und sei “von Pegida und AfD missbraucht” worden.“ Auch der SWR berichtete auf seiner Website über dieselbe Klarstellung Palmers.
Wie er das mit den „bewaffneten Truppen“, die man zur Grenzsicherung „brauche“, gemeint habe, darüber wurde die Öffentlichkeit in dem Zusammenhang nicht aufgeklärt. Dass man ihn falsch zitiert habe, behauptete er nicht. Warum Waffen? Nur als erklärte, automatisch nur leere Drohung? Ergäbe so etwas Sinn?
Die Vorstellung, dass auf Flüchtlinge geschossen wird, dürfte allen Beteiligten – und Unbeteiligten – sehr schwer fallen. Petry hat es auch gesagt, dass sie das nicht will, dass sie es als „Ultima Ratio“ ansieht, ungefähr das selbe wie Palmers „notfalls“. Man kann bei Petry natürlich sofort das Gegenteil hineininterpretieren. Ich tippe allerdings eher auf politisches Kalkül. Was einen anwidern mag. Die Lust am Töten ist etwas anderes.
Wenn wir schon beim Psychologisieren sind: Man könnte auch weiter gehen, und sagen, die AfD hätte nichts davon, wenn auf Flüchtlinge geschossen wird. Je mehr kommen, desto mehr Stimmen erhalten sie. Anders beim armen Oberbürgermeister Palmer. Der muss sehen, wie er das Problem mit den vielen Flüchtlingen löst, deshalb seine Forderung, die Zahlen zu begrenzen. Und, noch ein Planspiel: Ist sich wirklich jeder sicher, dass ein strammer SPD-Regierungschef in jeder denkbaren Situation davor gefeit wäre, das Gewaltmonopol an der Grenze auch bewaffnet durchzusetzen? Ich weiß nicht…
Denn eines sollten wir auch berücksichtigen: Es geht keineswegs um die heutige Situation, sondern um mögliche, womöglich auch irreale Szenarien. In heutige Flüchtlingsströme mit Maschinengewehern reinhalten zu wollen wird wohl keiner irgendjemand unterstellen. „Die AfD argumentiert in einem hypothetischen Angstraum“, schreibt der Tagesspiegel heute in einem sehr treffenden Kommentar. Er schließt mit dem klugen Satz: „Für den Schusswaffengebrauch setzt das Gesetz Verhältnismäßigkeit voraus. Die sollte man auch bei der Reaktion auf absurde Forderungen wahren.“
Zuerst erschienen auf Uli Kulkes Blog Donner und Doria hier.
Quelle: http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/wenn_gruene_waffen_an_den_grenzen_fordern
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